Thüringer Allgemeine (Bad Langensalza)
Was Braunes aus der Speisekammer
Nach Unfallflucht und Trunkenheitsfahrt soll ein Mühlhäuser Arzt 22.500 Euro Strafe zahlen
Es war der zweite Anlauf im Prozess um eine Unfallflucht und Trunkenheit am Steuer vor dem Amtsgericht Mühlhausen. Beim ersten Aufguss hatte der angeklagte Arzt aus Mühlhausen angegeben, erst später zu Hause getrunken zu haben. Daraufhin gab der Strafrichter am Amtsgericht Mühlhausen ein so genanntes Begleitstoffgutachten in Auftrag.
Einige Monate später konnte die Anklageschrift erneut verlesen werden. Darin wird dem 47-Jährigen vorgeworfen, vor einem Jahr mit 2,5 Promille Alkohol im Blut einen Unfall verursacht und dann weggefahren zu sein.
Zeugen hatten versucht, ihn zu stoppen und zur Rückkehr zu bewegen, vergebens. Deshalb riefen sie die Polizei. Deren unnachgiebige Ermittlungsarbeit und die Aussagen der Zeugen überführten laut erstinstanzlichem Urteil den Mann.
Ein Polizist war schnell zur Wohnung des Mannes gefahren, hatte aber vergebens geklingelt. Dann habe sich im Hausflur der Vater bemerkbar gemacht und erklärt, dass er mit dem zerbeulten Auto gefahren sei. Dieses Ablenkungsmanöver hatte allerdings wenig Erfolg. Die Augenzeugen der Unfallflucht betrunken schrieben einen deutlich jüngeren Fahrer. Deshalb klopfte der Polizist erneut an der Wohnungstür, die sich diesmal öffnete. Der Tatverdächtige gab an, krank zu sein und alkoholhaltige Medikamente genommen zu haben. Von einem „Nachtrunk“sei keine Rede gewesen, sagte der Polizist vor Gericht. Weil der einen Atemalkoholtest ablehnte, musste der Mann mit zur Dienststelle.
Erst im Streifenwagen sei ihm der Alkoholgeruch aufgefallen. Dort habe es noch einen „kleinen Arroganz-anfall“gegeben. „Wir wüssten wohl nicht, wen wir vor uns hätten“, schilderte der Zeuge die Worte des Angeklagten. Dieser sei wechselmütig, besorgt, aber nicht aggressiv gewesen. Er habe zwei Blutproben angeordnet, die jeweils einen Wert von 2,5 und 2,42 ergaben. Ein Polizeikollege beschrieb den Angeklagten mit „verwirrt, apathisch, schläfrig, bewegungsgehemmt“. Er habe auch gefragt, ob er jemanden verletzt habe. Der Gerichtsmediziner machte später im Gutachten klar, dass ein „Nachtrunk“nicht auszuschließen sei, aber die Rückrechnung nicht voll aufgeht und deshalb auf jeden Fall auch schon vorher geworden sein muss. Der Angeklagte gab dieses Mal an, Zahnschmerzen gehabt zu haben und deshalb ein Medikament und große Teile eines Kräuterlikörs getrunken zu haben. Er könne sich nicht mehr erinnern. Er sei kein Alkoholiker; er trinke gelegentlich Alkohol. Er hab an dem Tag „was Braunes aus der Speisekammer“getrunken. Für den Staatsanwalt Anlass genug, an einen Fall mit dem Angeklagten vor drei, vier Jahren zu erinnern. Da sei es auch um etwas „Braunes“gegangen. Damals ist der Angeklagte aufgrund eines nicht zweifelsfrei auszuschließenden Nachtrunkes freigesprochen worden.
Dieses Mal aber gab es Zeugen, die ihn am Unfallort im Mühlhäuser Gewerbegebiet zur Rede stellen wollten.
Sperrzeit für Fahrerlaubnis um fünf Monate verlängert
Zunächst fuhr er weg, ein Zeuge folgte ihm. Dann habe er angehalten. „Keine Polizei“, seien seine ersten Worte gewesen. Sie hätten vereinbart, zum Unfallort zurückzukehren und die Sache dort zu regeln. Doch an der nächsten Kreuzung sei er abgebogen …
Der Schaden von 1400 Euro ist reguliert, teilte die Geschädigte mit. Für den Staatsanwalt ist der Fall eindeutig. Der Angeklagte hat falsch ausgeparkt und ein anderes Auto beschädigt. „Die gleiche Geschichte wie vor drei, vier Jahren“, wiederholte sich der Staatsanwalt. Damals habe er damit Glück gehabt, dieses Mal nicht. „Wir haben vier Zeugen, die den Tattag beschreiben können“, hieß es im Plädoyer. Der nicht vorbestrafte Mann müsse wegen Straßenverkehrsgefährdung, Trunkenheit im Verkehr und Unfallflucht bestraft werden. Der Staatsanwalt beantragte 22.500 Euro Strafe und weitere fünf Monate Sperrzeit für die Fahrerlaubnis, die seit März 2019 weg sei.
Diesem Antrag folgte der Strafrichter. „Sie haben uns hier eine Geschichte aufgetischt, die nicht glaubhafter wird, wenn man sie dem Gutachten anpasst“, sagte Richter Thomas Linß. „Sie waren betrunken und hatten viel drin“, hieß es weiter. Den Unfall habe der Angeklagte bemerkt. „Sie sollten mal in sich gehen“, riet der Richter. „Wenn dabei ein Mensch ums Leben kommt, dann werden Sie ihres Lebens nicht mehr froh. Da hilft dann auch kein Aro hinterher mehr.“
Der Verurteilte hat mittlerweile Berufung eingelegt. Der Strafbefehl, der der Verhandlung vorausging, sah eine Strafe von 7500 Euro vor.