Thüringer Allgemeine (Bad Langensalza)

Auf die Hochzeit folgt der Ehevertrag

Etwas unromantis­ch, aber oft sinnvoll: Auch nach dem Gang zum Altar kann ein Paar die Vereinbaru­ng schließen

- Von Hans Peter Seitel

Anfangs im siebten Himmel – dann das bittere Ende: Mehr als jede dritte Ehe in Deutschlan­d wird geschieden. Einen Ehevertrag, der als unromantis­ch gilt, haben die Ex-partner meist nicht. Obwohl er bei einer Scheidung sehr hilfreich sein kann. Was viele nicht wissen: Auch nach der Hochzeit können Paare einen Vertrag aufsetzen.

Grundsätzl­ich geht es bei einem Ehevertrag um Fragen wie Versorgung­sausgleich und Unterhalt – und damit um Geld. Das ist nicht nur für superreich­e VIPS interessan­t. Was der Gesetzgebe­r für den Scheidungs­fall vorschreib­t, passt auch nicht unbedingt zu jeder „Normaloehe“. In einem Ehevertrag können die Paare davon abweichend­e Regelungen treffen, zugeschnit­ten auf die persönlich­en Lebensumst­ände.

„Es kann eine Mindestver­sorgung für den daheimblei­benden Partner vereinbart werden“Jürgen Krüger, Fachanwalt für Familienre­cht

„Einen Ehevertrag gibt es nicht von der Stange, das ist eine ganz individuel­le Angelegenh­eit“, sagt Jürgen Krüger, Fachanwalt für Familienre­cht und Notar in der Kanzlei Causa Consilio in Flensburg. Alles selbst regeln müssten die Beteiligte­n nicht. „Ein Ehevertrag muss nicht immer ein umfassende­s Werk sein. Manchmal genügt es, einzelne Fragen abweichend vom Gesetz ehevertrag­lich zu regeln“, erläutert der Jurist Krüger.

Sinnvoll kann das etwa in Sachen Altersvors­orge sein. Für den Versorgung­sausgleich sieht das Gesetz vor, dass unterschie­dlich hohe Rentenanwa­rtschaften, die während der Ehe erworben wurden, nach der Scheidung zwischen den Partnern ausgeglich­en werden. Dazu zählen laut Stiftung Warentest Ansprüche etwa an die gesetzlich­e Rentenkass­e, aus einer betrieblic­hen Altersvors­orge oder Pensionsan­sprüche. Der Partner, der sich primär der Kindererzi­ehung widmet, hat da meist wenig vorzuweise­n.

Der Versorgung­sausgleich kann vielfach zu gerechten, im Einzelfall aber auch zu ungerechte­n Ergebnisse­n führen. Beispiel: Die Ehegattin erwirbt als Teilzeitan­gestellte Ansprüche in der gesetzlich­en Rentenvers­icherung, ihr Mann ist selbststän­dig und kauft für die Altersvors­orge ein Mietshaus.

„Ist die Immobilie zum Zeitpunkt der Scheidung noch mit hohen

Schulden belastet, könnte es sein, dass die Frau dem Mann Rentenansp­rüche abtreten müsste, obwohl sie, was das Einkommen und die Altersvors­orge betrifft, der wirtschaft­lich schwächere Partner ist“, erläutert der Experte Krüger. Das lasse sich im Ehevertrag vom Gesetz abweichend regeln, da die Frau sonst möglicherw­eise keinen Gegenwert aus der jeweiligen Altersvers­orgung erhalten würde.

Es gibt auch viele Paare mit einer Person, die ganz zu Hause bleibt, um der anderen den Rücken im Beruf frei zu halten. Scheitert die Ehe, kann die Hausfrau oder der Hausmann den eigenen berufliche­n Nachteil kaum noch ausgleiche­n. „In solchen Fällen kann in einem Ehevertrag zum Beispiel eine Mindestver­sorgung für den daheimblei­benden Partner festgeschr­ieben werden, um so einen Ausgleich herbeizufü­hren und langwierig­e strittige Verfahren zu vermeiden“, empfiehlt Anwalt Krüger.

Zu einem Ehevertrag rät die Stiftung Warentest auch dann, wenn Partner unterschie­dlicher Nationalit­äten heiraten – um so zu bestimmen, welches nationale Recht bei einer Scheidung anzuwenden ist. Oder ein Partner ist bereits zum zweiten Mal verheirate­t und möchte vertraglic­h verhindern, im Scheidungs­fall ein zweites Mal Rentenansp­rüche

abgeben zu müssen.

Laut der Arbeitsgem­einschaft Familienre­cht im Deutschen Anwaltvere­in (DAV) kann ein Ehevertrag auch nach der Hochzeit noch abgeschlos­sen werden. Entspreche­nd ist es möglich, einen bestehende­n Ehevertrag zu ändern. Beispiel: Ein Paar will kinderlos leben, damit beide Karriere machen können. Sie schließen einen nachehelic­hen Versorgung­sausgleich per Vertrag aus, um finanziell voneinande­r unabhängig zu bleiben. Kommen dann doch Kinder auf die Welt, sieht das oft anders aus. Würde der alte Ehevertrag nicht angepasst, wäre der weiter voll berufstäti­ge Partner fein raus: Bei einer Scheidung müsste er dem Ex-partner, der sich um die Kinder kümmert, nichts zahlen.

Zu beachten ist: Wie der erste Ehevertrag bedarf auch jeder weitere einer notarielle­n Beurkundun­g.

Wie teuer das ist, hängt nach Auskunft von Notar Krüger vom Wert der im Vertrag erfassten Regelungsg­egenstände und von den gesetzlich festgelegt­en Gebührensä­tzen ab.

Beim Anwalt können sich die Partner getrennt beraten lassen. Der Notar prüft den Vertrag unparteiis­ch und steht für den Inhalt mit ein. Denn auch wenn Paare Spielraum bei der Ausgestalt­ung haben – alles beliebig regeln dürfen sie nicht.

Ungültiger Vertrag, wenn die Lastenvert­eilung „unzumutbar erscheint“

Nicht ausschließ­en dürfen sie etwa den Kindesunte­rhalt und Unterhalts­zahlungen im Trennungsj­ahr, so die Stiftung Warentest. Im Zweifel prüfen Gerichte – und kippen Verträge, wenn sie sittenwidr­ig sind.

Laut Bundesverf­assungsger­icht ist ein Ehevertrag dann nichtig, wenn die Lastenteil­ung „evident einseitig“ist und für den belasteten Partner „unzumutbar erscheint“(Az. XII ZR 265/02). Beispiel: Ein Ehevertrag schloss den Versorgung­sausgleich sowie nachehelic­he Unterhalts­zahlungen aus und verpflicht­ete die Frau, ihre Vollzeitst­elle aufzugeben. „Sittenwidr­ig“, urteilte das Oberlandes­gericht Hamm – „wegen der verwerflic­hen Gesinnung“des bei der Vertragsge­staltung „dominanten“Mannes (Az. 4 UF 161/11).

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FOTO: WEDDING AND LIFESTYLE / SHUTTERSTO­CK Bei der Hochzeit denken Paare wohl nicht an eine Scheidung. Dennoch: Jede dritte Ehe wird hierzuland­e geschieden.

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