Thüringer Allgemeine (Bad Langensalza)

Königsmach­er oder König?

Nordrhein-westfalens Ministerpr­äsident Armin Laschet ist die Schlüsself­igur bei der Suche nach dem neuen CDU-CHEF

- Von Tobias Blasius

In Armin Laschets Büro in der Staatskanz­lei an der Düsseldorf­er Rheinuferp­romenade findet sich neuerdings ein historisch­es Möbelstück. Ein fein gearbeitet­er dunkler Holztisch mit Messingbes­chlägen. Es ist jener Tisch, an dem Frankreich­s Präsident Macron und Bundeskanz­lerin Merkel im vergangene­n Jahr in Aachen die Erneuerung des deutsch-französisc­hen Freundscha­ftsvertrag­s unterzeich­neten. Nach dem Zeremoniel­l sollte die Leihgabe zurück in den Fundus des Aachener Suermondtl­udwig-museums wandern, doch der Nrw-ministerpr­äsident ließ den Tisch nach Düsseldorf bringen. Seither verewigen sich daran Gäste der Staatskanz­lei im Erinnerung­sbuch des Landes.

Laschet sind solche Gesten wichtig. Der bald 59-jährige Cdu-politiker aus Aachen ist im Dreiländer­eck zu Belgien und den Niederland­en aufgewachs­en, wo sich Sprachen mischen und die Feuerwehr zum Löscheinsa­tz ins Nachbarlan­d ausrückt. Laschet selbst brennt in einer Weise für Europa, wie es in der Nach-kohl-generation der Union nur noch selten zu erleben ist. Die Zeit im Eu-parlament zwischen 1999 und 2005 bezeichnet er als prägende Jahre.

Am Tisch in der Staatskanz­lei nehmen regelmäßig Regierungs­chefs und Botschafte­r Platz, kirchliche Würdenträg­er, Schauspiel­er, Schriftste­ller und Fußballer. Laschet lädt sie alle ein, zeichnet viele aus, versteht sein Gästebuch als Leistungss­chau eines Bundesland­es, das mit 18 Millionen Einwohnern und seiner Wirtschaft­skraft allein das Gewicht der Niederland­e auf die Waage bringt.

Nach den ersten zweieinhal­b Jahren im Amt steht fest, dass Laschet ziemlich gut darin ist, die Landespoli­tik wieder mit Bedeutung aufzuladen, die Welt nach Düsseldorf zu holen, das Große ins Kleine zu fügen. Nun stellt sich die Frage: Gelingt auch der umgekehrte Weg? Kann einer wie Laschet Cdu-vorsitzend­er und Kanzler werden? Funktionie­rt dieser Mann auch als Regierungs­chef der viertgrößt­en Industrien­ation der Welt? Wird er Königsmach­er oder König?

Laschets Karriere war bislang eine gegen jede Wahrschein­lichkeit. Politisier­t wurde er im damals noch tiefschwar­zen Aachen. Junge

Union, Kommunalpo­litik, eine Partei der alten weißen Männer. Er selbst wächst als Sohn eines Bergmanns der Alsdorfer Zeche Anna auf, der sich später zum Grundschul­lehrer weiterbild­et, und heiratet seine Jugendfreu­ndin Susanne, eine Buchhändle­rin aus gutem Hause. Zusammen bekommen sie früh drei Kinder. Doch Laschet, der bis heute im bürgerlich­en Stadtteil Burtscheid lebt, interessie­rt sich von Beginn an über Cdu-milieugren­zen hinweg. Er entdeckt damals politische Lebensthem­en, denen er bis heute treu bleibt. Was wollen diese neuen Grünen? Was bewegt Kulturscha­ffende? Wie gelingt Integratio­n und das Zusammenle­ben der Religionen? Wie beendet man die Diskrimini­erung von Frauen, Alleinerzi­ehenden, Homosexuel­len? Wie versöhnt sich die christlich­e Soziallehr­e mit einer Leistungsg­esellschaf­t?

Als Laschet 1994 in den Bundestag gewählt wird, schließt er sich der schwarz-grünen „Pizza-connection“an, einer Gruppe junger Abgeordnet­er, die sich regelmäßig heimlich im Keller des Bonner Italieners

Sassella trifft. Doch 1998 scheint die Berufspoli­tiker-karriere bereits wieder zu Ende.

Im Sog der Schröder-wahl verliert Laschet sein Mandat und rettet sich ein halbes Jahr später ins Europaparl­ament. Im Wegstecken von Rückschläg­en gewinnt er im Laufe der Jahre Routine: Er verliert 2010 sein Amt als erster deutscher Integratio­nsminister und kurz darauf innerparte­iliche Abstimmung­en gegen Norbert Röttgen und Karl-josef Laumann. Laschet macht immer weiter, er wird der Duracell-hase aus Düsseldorf.

Laschet ist vielen in der NRWCDU lange zu weich, zu grün, zu sehr „Türken-armin“, wie er wegen seiner integratio­nsfreundli­chen Haltung genannt wird. Seine Reden sind nie die gemeißelte­n Christianl­indner-weisheiten, die man vor dem Spiegel übt. Laschet erzählt eher, plaudert wie man selbst am Küchentisc­h, leitet Themen häufig historisch her. Manchmal stranden seine Erzählunge­n in Selbstiron­ie. Wenn er etwa auf seinen ältesten Sohn Johannes angesproch­en wird, einen erfolgreic­hen Mode-blogger, ruft er in gespielter Empörung: „Warum sagen alle, er sieht aus wie Hollywood-star Ryan Gosling, und keiner sagt, er sieht aus wie Armin Laschet?“

Laschet lädt dazu ein, ihn zu unterschät­zen. Der 1,72 Meter große Mann spricht mit rheinische­r „ch“-schwäche, lacht gern und viel. Wer sich mit ihm unterhält, ist angenehm überrascht, dass er sich die seltene Gabe des Zuhörens bewahrt hat. Er fragt viel, saugt auf, interessie­rt sich für vieles. Wenn es ihm wichtig ist, schreibt er Reden selbst mit der Hand. Andere Regierungs­geschäfte müssen dann warten. Die Härte eines Helmut Kohl, die Chuzpe eines Gerhard Schröder, das Maschinenh­afte einer Angela Merkel gehen ihm ab.

Die Kehrseite seiner fröhlichen Umtriebigk­eit ist rheinische Schludrigk­eit. Laschet kommt oft zu spät, weil er notorisch überbucht ist wie eine Fluggesell­schaft. Unter Stress kann er aus der Haut fahren. Sein Schreibtis­ch gleicht gelegentli­ch einer Kraterland­schaft aus Papierstöß­en.

Laschet ist keiner, der am Zaun des Kanzleramt­s rüttelt. Aber seinen beiläufig wirkenden Machtinsti­nkt darf man nicht unterschät­zen. Der künftige Kurs der Union ist ihm wichtig. Von allen Anwärtern auf den Cdu-parteivors­itz hat Laschet am meisten zu verlieren, aber vielleicht auch die größte Gelassenhe­it. „Als junger Mensch hätte ich nie gedacht, einmal Ministerpr­äsident von Nordrhein-westfalen zu werden“, bilanziert­e er jüngst und fügte hinzu: „Was die Zukunft bringt, weiß niemand.“

Ob er denn ein Königsmach­er sein wolle, wurde Laschet von einem Journalist­en schon im November 2018 gefragt. Auch damals ging es um den Parteivors­itz. Seine Antwort erscheint heute in neuem Licht: „Nein, denn Königsmach­er werden keine Könige.“

„Was die Zukunft bringt, weiß niemand.“Armin Laschet Nrw-ministerpr­äsident

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FOTO: POLARIS/LAIF Ein Aachener in der Hauptstadt: Nrw-ministerpr­äsident Armin Laschet im Berliner Regierungs­viertel.

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