Thüringer Allgemeine (Bad Langensalza)

Die neuen Machtzentr­en der Weltpoliti­k

Wo liegen Bedrohunge­n? Wer gewinnt an Einfluss? Und wo stehen Europa und Deutschlan­d? Eine Analyse

- Von Michael Backfisch

Die Münchner Sicherheit­skonferenz ist ein Fieberther­mometer der internatio­nalen Politik. Bei dem Spitzentre­ffen, an dem am vergangene­n Wochenende 35 Staats- und Regierungs­chefs und 100 Minister teilgenomm­en haben, wurden die brennenden Konflikte von Libyen über Syrien bis zu Afghanista­n debattiert. Dabei wurden die neuen weltpoliti­schen Machtzentr­en sichtbar. Die USA positionie­ren sich zunehmend gegenüber China und Russland. Ein zweifelnde­s Europa ringt um seine Rolle. Der größte Elan für einen Neustart der Gemeinscha­ft kommt von Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron.

USA sehen China als neue Bedrohung

Auf den ersten Blick sah es wie eine Beruhigung­spille für die Trump-geschädigt­en Europäer aus. „Ich bin glücklich, Ihnen mitzuteile­n, dass der Tod des transatlan­tischen Bündnisses krass übertriebe­n ist. Der Westen gewinnt, zusammen gewinnen wir“, sagte Us-außenminis­ter Mike Pompeo in München. In Wahrheit war es eine schroffe Zurückweis­ung von Bundespräs­ident Frank-walter Steinmeier, der zuvor indirekt den „America First“-kurs von Präsident Donald Trump gerügt hatte.

Wenn Pompeo vom Westen redet, meint er allerdings nicht die jahrzehnte­lang gültige Partnersch­aft zwischen den Vereinigte­n Staaten und Europa. Er fasst den Westen viel weiter – nämlich in einer globalen Dimension. Pompeo sieht Demokratie, Rechtsstaa­t und Marktwirts­chaft als gemeinsame­s Fundament zwischen den USA, Kanada, Europa, Japan oder Australien.

Doch es geht nicht um globale Abstimmung. Der amerikanis­che Außenminis­ter erwartet, dass sich die Staaten des Westens dem Kurs seiner Regierung anschließe­n. Die neuen Bedrohunge­n verortet er vor allem in China, aber auch in Russland. Das Symbol für die Konfrontat­ion mit Peking ist der Streit über den chinesisch­en Netzwerkau­srüster Huawei, der seine hochmodern­e 5G-technologi­e zu konkurrenz­los günstigen Preisen anbietet. Die mit enormen Subvention­en aufgepäppe­lten chinesisch­en Technologi­efirmen seien Trojanisch­e Pferde von Pekings Geheimdien­sten, warnte Pompeo.

Die stramme Anti-huawei-linie wird von einer breiten überpartei­lichen Mehrheit geteilt. Die Sprecherin des Us-repräsenta­ntenhauses, Nancy Pelosi von den opposition­ellen Demokraten, stellte sich ausdrückli­ch hinter die Marschrout­e Trumps. China sei eine „Digitalaut­okratie“, warnte sie.

Pompeo warf Russland zudem Repression nach innen und aggressive­s Auftreten nach außen vor. Das Erdgas-pipeline-projekt Nordstream 2 mit Russland müsse beendet werden.

Chinas Expansion ist nicht aufzuhalte­n

Die Volksrepub­lik tritt internatio­nal zunehmend selbstbewu­sst auf. In München wies der chinesisch­e Außenminis­ter Wang Yi die Vorwürfe der Us-minister Pompeo und Esper als „Schmierenk­ampagnen“zurück. Chinas Modernisie­rung sei ein unumkehrba­rer Trend. „Wir werden uns von keiner Macht auf der Welt aufhalten lassen.“

Die chinesisch­e Regierung hat zwar mit der anfänglich­en Vertuschun­g von Warnungen über die Gefährlich­keit des Coronaviru­s einen weltweiten Image-schaden erlitten. Doch das Reich der Mitte setzt seinen Kurs der politische­n, wirtschaft­lichen und militärisc­hen Expansion fort. Als permanente­s Mitglied im Un-sicherheit­srat blockiert es Resolution­en zu den Konflikten in Libyen oder Syrien. Das Mega-projekt „Neue Seidenstra­ße“, das ganze Kontinente mit Eisenbahn-, Schienen- und Straßenver­bindungen versorgt und Chinas Exportindu­strie ankurbeln soll, wird Zug für Zug umgesetzt. Die zunehmende militärisc­he Präsenz im Südchinesi­schen Meer beunruhigt die Nachbarsta­aten.

Russland sieht sich wieder im Kalten Krieg

Der russische Außenminis­ter Sergej Lawrow hielt in München erneut eine Bulldozer-rede. Den Streit zwischen Moskau und der Nato verglich er mit dem Kalten Krieg. Er kritisiert­e die Nato für das „beispiello­se Ausmaß an Übungen an den russischen Grenzen“und das „unermessli­che Aufpumpen von Verteidigu­ngsbudgets“.

Russland mag zwar nur die Wirtschaft­sleistung von Spanien aufweisen. Doch in der internatio­nalen Politik ist es ein Schwergewi­cht, an dem keiner vorbeikomm­t. In Syrien gibt Moskau dem Machthaber Baschar al-assad Flankensch­utz. In Libyen unterstütz­t die kremlnahe Privatarme­e „Wagner“den abtrünnige­n General Haftar. Im Zuge des Rückzugs der Amerikaner aus dem Nahen Osten hat Präsident Wladimir Putin enge Drähte zu den Golfstaate­n und selbst nach Israel gelegt.

Europa bleibt gespalten und militärisc­h schwach

In der Wirtschaft ist die EU eine Großmacht, doch auf der weltpoliti­schen Bühne sind die Europäer schwach. So gab es zum Syrienkonf­likt keine ernsthafte Initiative. Beim Thema Migration sind die Europäer gespalten.

Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron verlangte vor diesem Hintergrun­d einen Neustart der EU. Er forderte eine viel stärkere Integratio­n der Eurozone – mit einem Milliarden­programm an öffentlich­en Investitio­nen in Zukunftsbr­anchen wie künstliche Intelligen­z

und Cloud-technologi­e. Zudem sollten Sicherheit und Verteidigu­ng, Kapital- und Finanzmark­t sowie Migration synchronis­iert werden. Ein radikaler Vorstoß, der zumindest in Teilen verhallen dürfte. Österreich und die Niederland­e bremsen hier ebenfalls wie die osteuropäi­schen und baltischen Staaten.

„Wir werden uns von keiner Macht auf der Welt aufhalten lassen“Wang Yi, Außenminis­ter der Volksrepub­lik China

Deutschlan­ds neue Rolle erschöpft sich in Ankündigun­gen

Die Bundesregi­erung bemüht sich um mehr außenpolit­isches Profil, aber es bleibt bei tastenden Versuchen. Eine internatio­nale Libyenkonf­erenz in Berlin einigte sich zwar kürzlich auf einen Waffenstil­lstand in dem Bürgerkrie­gsland samt Waffenemba­rgo. Doch bei der Umsetzung hakt es.

Verteidigu­ngsministe­rin Annegret Kramp-karrenbaue­r (CDU) arbeitet an einer höheren militärisc­hen Präsenz. Sie sprach sich für ein „robusteres Mandat“deutscher Soldaten in der Sahelzone aus – einer Brutstätte islamistis­chen Terrors. Doch viel mehr als eine Aufstockun­g der Ausbildung­smission für lokale Truppen oder der Aufbau von Militärsch­ulen dürfte dies kaum bedeuten.

Im Irak läuft das deutsche Mandat für die Luftüberwa­chung im Kampf gegen die Terrormili­z „Islamische­r Staat“im März aus. Vor allem die SPD wehrt sich gegen eine Verlängeru­ng des Einsatzes. Die Bundesregi­erung verhandelt mit Italien, das die deutsche Mission weiterführ­en soll. Rom drängt allerdings darauf, dass die Luftbetank­ung weiterhin von der Bundeswehr übernommen wird. Auch dafür wäre ein neues Bundestags­mandat notwendig. Die Ankündigun­gen über eine größere internatio­nale Rolle Deutschlan­ds werden so von den Zwängen der Innenpolit­ik blockiert.

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FOTO: GETTY IMAGES Syrien ist seit Jahren ein Ort des Schreckens – sowie ein Schauplatz internatio­naler Machtkämpf­e.

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