Thüringer Allgemeine (Bad Langensalza)
Frau Beckham kämpft um ihren Ruf
Der Ex-popstar wollte mit einer Modelinie ernst genommen werden – jetzt macht die Designerin Millionenschulden
Natürlich, es sind Geldsorgen auf allerhöchstem Niveau. Den Chauffeur musste Victoria Beckham einsparen. Die Ateliers im Londoner Firmensitz werden nicht mehr wöchentlich von frischen Blumen in zartem Duft gehüllt – dabei liebte die Chefin besonders die langstieligen weißen Rosen. Schlimmer: Ein Drittel ihrer Angestellten musste sie schon 2018 entlassen. Denn die Geschäfte laufen schlecht. 2019 sank der Umsatz ihrer selbstverständlich nach ihr selbst benannten Modemarke um 16 Prozent. 14 Millionen Euro Verlust machte die Firma im vergangenen Jahr. 43 Millionen Euro Schulden häufte sie insgesamt an. „Wir streben an, bald profitabel zu werden“, machte Geschäftsführer Ralph Toledano im Fachmagazin „Business of Fashion“Hoffnung. Das wird Zeit: Seit der Gründung ihres Labels 2008 ist es kein Jahr gelungen, schwarze Zahlen zu schreiben.
Als Beckham Sonntagmorgen bei der London Fashion Week ihre neue Kollektion präsentierte, ging es um alles: Sie musste beweisen, dass sie Mode herstellen kann, die ihren prominenten Freunden in der ersten Reihe gefällt, aber von preisbewussten Frauen gekauft wird. Sie musste zeigen, dass sie bereit ist zu kämpfen, aber dabei durfte sie nicht angestrengt wirken. Sie musste schlicht den besten Job ihres Lebens machen.
Die frühere Spielerfrau muss jetzt liefern
Wie konnte es so weit kommen? Die 45-Jährige ist die prominenteste Designerin der Welt. Kein anderer Modemacher wird häufiger gegoogelt als sie. Stars wie Jennifer Lopez, Herzogin Meghan, Sienna Miller oder Lady Gaga tragen ihre Entwürfe. In 400 Läden weltweit liegen ihre Nobelkleider und Accessoires aus. Kritiker sind begeistert von ihren schlichten und dennoch glamourösen Linien.
Das Problem: Sie sind nicht unverwechselbar. Und andere bringen sie billiger auf den Markt. Zähneknirschend musste Beckham jetzt ihre Preise senken – einst noch teurere Kleider sind inzwischen ab 1100 Euro zu haben. Außerdem bringt sie mehr Schönheitsprodukte wie ein „Power Serum“für die Gesichtshaut heraus. Eine ruhmlose Tätigkeit, aber eine, die der Konkurrenz das meiste Geld beschert. Denn vom Promi-status, von Google-suchanfragen und von Stars, die es gewohnt sind, ihre Kleidung umsonst zugeschickt zu bekommen, lässt sich die Miete des Firmensitzes in der feinen Hammersmith Road im Stadtteil Kensington auf Dauer nicht zahlen.
Die vierfache Mutter hat hart dafür gearbeitet, ernst genommen zu werden in einer hochnäsigen Branche, in der niemand auf sie gewartet hat. „Ich möchte berühmt werden wie Persil“, hatte sie schon als Teenager posaunt. Mit 25 Jahren blickte die Unternehmertochter dann auf eine erstaunliche Karriere zurück: Victoria Adams war Mitglied der Spice Girls, der erfolgreichsten Girl Group der 90er-jahre. Es ging mit der Band langsam zu Ende, als „Posh Spice“1999 den Fußballhelden David Beckham heiratete. Die beiden waren fortan öfter in den weltweiten Schlagzeilen als die Royal Family. Damit definierte sie den Begriff Spielerfrau neu: Er stand nun für Glamour, Ruhm, Reichtum, aber auch für Bling-bling und grellen Geschmack. Mit ihrem Mann lief sie in fragwürdigen Partneroutfits über den roten Teppich.
Doch als sie 2008 ihr Unternehmen gründete, entwarf sie eine neue
Version ihrer selbst: die elegante und konzentrierte Unternehmerin mit einem Spürsinn dafür, wie sich erfolgreiche Frauen kleiden wollen. „Es war ein Fehler, sie zu unterschätzen“, gab „Vogue“-chefin Anna Wintour ihr eines Tages den Ritterschlag. Das Magazin „Management Today“wählte sie 2014 zu Großbritanniens Geschäftsfrau des Jahres: „Beckham ist der lebende Beweis dafür, dass Prominenz die vielleicht am besten vermarktbare Ware der Welt ist “, war die Begründung. Sie hatte es geschafft: Beckham war mehr als der Ex-popstar oder die Spielerfrau.
Als Einzige der fünf Spice Girls verweigerte sie sich der letzten Kurzzeit-wiedervereinigung. Warum die Vergangenheit aufwärmen? Umso niederschmetternder war es für sie, dass ihr Mann 17 Millionen Euro in ihr Unternehmen pumpen musste. Mit ihrer neuen, von den 70er-jahren inspirierten Kollektion stellt Beckham nun wieder einmal klar, dass sie Talent hat. Jetzt muss sie noch zeigen, dass sie auch verkaufen und rechnen kann.