Thüringer Allgemeine (Bad Langensalza)
1005 Sekunden sind nicht genug
Genau 1005 Sekunden dauert es, ein ganzes Land zu schockieren. Das „Männerwelten“-video, ausgestrahlt zur Primetimesendezeit der Tv-moderatoren Joko und Klaas, hat seit dem 13. Mai über 20 Millionen Menschen erreicht und ein wichtiges Thema wieder in den Fokus der öffentlichen Debatte gerückt: Sexismus und sexualisierte Gewalt an Frauen. Die Zuschauer werden in einer virtuellen Ausstellung von der Autorin Sophie Passmann durch die verstörenden „Exponate“geführt. Gezeigt werden „Dick-pics“, Internetpostings sowie Kleidungsstücke von Vergewaltigungsopfern.
In den Medien wird „Männerwelten“längst als neues deutsches „Me too“bezeichnet. Nicht ganz zu Unrecht. Aber auch Kritik wird laut. Ein Fernsehausschnitt, in dem Joko auf Klaas’ Aufforderung hin eine Messehostess begrapscht, erscheint nicht nur vor dem Hintergrund des Videos mehr als unpassend. Der Frauenrechtsorganisation „Terre des femmes“, die an der virtuellen Ausstellung beteiligt war, wird Transfeindlichkeit vorgeworfen. Eine „Spiegel“-journalistin schreibt weiterhin: „Wären jetzt nicht mal die Männer dran?“
Mit Sicherheit alles wichtige und berechtigte Kritik. Aber was von „Männerwelten“bleibt, ist alles andere als falsch. Es darf nur nicht im Sand verlaufen. Dieses Thema darf nicht nur 1005 Sekunden dauern. Es sollte uns weiter beschäftigen und uns dazu bringen, unser Handeln zu überdenken und aufmerksam zu bleiben. So lange, bis es kein Thema mehr ist.