Thüringer Allgemeine (Bad Langensalza)
Schwerbehinderte mit guter Ausbildung
Arbeitsagenturen wollen Vorurteile bei Arbeitgebern abbauen. Lebenshilfe Erfurt mit guten Erfahrungen
Bernd Jentsch
Erfurt. Schwerbehinderte haben es auf dem Arbeitsmarkt noch immer vergleichsweise schwerer einen Job zu finden. „Es fällt ihnen schwerer auf dem Markt Fuß zu fassen“, bestätigte der Chef der Regionaldirektion Sachsen-Anhalt/Thüringen der Bundesarbeitsagentur, Markus Behrens, am Montag in Erfurt.
Er sieht eine Ursache dafür in einem weit verbreiteten Vorurteil auf Arbeitgeberseite. Da hörten die Berater im Gespräch immer wieder die Befürchtung, einen eingestellten Schwerbehinderten werde man nie wieder los. Diese Sorge sie völlig unbegründet und das Gros der schwerbehinderten Menschen verfüge über eine gute Ausbildung und Berufsabschlüsse. Das Potenzial dürfe in Zeiten des Fachkräftemangels nicht ungenutzt bleiben, appellierte Behrens an die Unternehmer.
Derzeit beschäftigt nur ein Drittel der Firmen, die es gesetzlich müssten, tatsächlich behinderte Menschen. „Die Quote liegt deutlich unter dem bundesweiten Schnitt von 40 Prozent“, so Behrens. Er führt das unter anderem auf die kleinteilige Struktur der Thüringer
Wirtschaft zurück. Demnach falle es größeren Unternehmen mit eigenen Personalabteilungen deutlich leichter, sich dem Thema anzunehmen, als dem kleinen Handwerksbetrieb mit fünf Mitarbeitern – die machten aber die Mehrzahl der Thüringer Unternehmen aus.
Während sich die Zahl der
Arbeitslosen insgesamt in Thüringen in den zurückliegenden Jahren halbiert habe, verringerte sie sich in der Gruppe der schwerbehinderten Menschen lediglich um ein Viertel.
Die Arbeitsagenturen können die Integration von Schwerbehinderten mit einer Vielzahl von Fördermöglichkeiten unterstützen, versicherte die Chefin der Arbeitsagentur Thüringen-Mitte, Irena Michel. „Das reicht von finanziellen Zuschüssen beim Beginn einer Ausbildung, über die Förderung bei Praktika oder der Übernahme in die Festanstellung bis zur Einrichtung eines inklusiven Arbeitsplatzes“, sagte Michel.
Auf zwanzig Jahre Erfahrung in der Arbeit mit schwerbehinderten Menschen blickt nach Angaben ihres Geschäftsführers, Uwe Kintscher, die Lebenshilfe Erfurt zurück. „Wir haben uns bewusst als Inklusionsunternehmen aufgestellt“, so Kintscher. Das setze eine Quote von mindestens 40 Prozent behinderten Mitarbeitern an der gesamten Belegschaft voraus. Das übertreffe man problemlos. berichtete Kintscher den Gästen in der integrativen Kindertagesstätte „Strolche“– eine von drei in Erfurt, die die Lebenshilfe betreibt. „In unserem Unternehmen sind von insgesamt 250 Beschäftigten die Hälfte, also 125 Mitarbeiter, schwerbehindert“, so Kintscher.
Man bilde junge, behinderte Menschen in insgesamt sechs Berufen aus, in Feldern wie der Gastronomie, des Reinigungsservice oder anderen Dienstleistungsbranchen, bestätigte Uta Weise-Döll vom Vorstand der Lebenshilfe. Er habe bei der Lebenshilfe seinen Traumjob gefunden, versicherte Willy Hermann. „Ich wollte schon als Baby immer Koch werden“, sagte Hermann. Seit 2011 arbeitet er in der Gastrosparte des Betriebes.