Thüringer Allgemeine (Bad Langensalza)

Wie sicher ist es in Mühlhausen?

Fakten, Gefühl und Dunkelfeld: Polizei-Fachmann setzt lieber auf große Befragunge­n als auf Polizeista­tistiken

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Claudia Bachmann

Mühlhausen. Ist Mühlhausen ein sicheres Pflaster? Was sagen die Zahlen der von der Polizei vorgelegte Statistik? Was sagt das Gefühl? Und wie sieht es eigentlich im Dunkelfeld aus? Diesen Fragen ging Dienstagab­end eine Gesprächsr­unde nach, die der Kreisverba­nd der Partei Die Linke organisier­t hatte.

Die Gäste kamen vom Fach: der aus Mühlhausen stammende Kriminolog­e Martin Thüne, die Leiterin des Bereichs Ordnung, Sicherheit und Bürgerdien­ste bei der Stadtverwa­ltung, Claudia Litzkow-Hardegen, und die innenpolit­ische Sprecherin der Linke im Bundestag, Martina Renner.

Immer wieder Ärger über Graffiti, Müll und Sachbeschä­digung Claudia Litzkow-Hardegen weiß, dass das Thema Sicherheit in Mühlhausen „immer mal wieder hochkocht“. Dazu kommen Ärger über Graffiti, Müll, Sachbeschä­digung mit den Schwerpunk­ten Ballongass­e/Martinivor­stadt und Busbahnhof und Bahnhof.

Die vom Stadtrat beschlosse­ne Video-Überwachun­g soll „spätestens bis August“kommen. Die Bilder sollen dann direkt von den Dienstzimm­ern der Stadtverwa­ltung betrachtet werden können, um einzugreif­en, wenn sich eine gefährlich­e Situation abzeichnet. „Wir suchen das Gespräch, aber wir sind keine Sozialarbe­iter.“

Dass es auf diesem Gebiet Nachholbed­arf gebe, wie der ehemalige Linke-Stadtrat Dirk Anhalt und Moderator Steffen Thormann in der Runde kritisiere­n, das sei der Verwaltung bekannt.

Für Thüne ist es, wenn die Polizei zählt, noch keine wissenscha­ftliche

Kriminalst­atistik (PKS). Als Datengrund­lage für politische­s Handeln eigne sich die PKS nicht. Besser ging es mit Dunkelfeld­analysen.

Anfang April wurden die Deutschlan­d-Zahlen in Sachen Kriminalit­ät vorgestell­t. Die Kernaussag­en vor wenigen Tagen: Die Zahlen zeigen einen deutlichen Anstieg bei der polizeilic­h gezählten Kinderund Jugendkrim­inalität.

Bei den Wohnungsei­nbrüchen ergibt sich zum Vorjahr eine Steigerung von 18 Prozent, bei Diebstahl eine Steigerung von 10 Prozent, bei Raub von 17 Prozent. Insgesamt hat die Zahl der Gewaltdeli­kte um 8 Prozent zugenommen.

Die Zahlen könne man, so Thüne, nicht allein stehenlass­en. Der inzwischen in Schleswig-Holstein lehrende Mühlhäuser sieht die PKS als Arbeitssta­tistik der Polizei im Bereich der polizeilic­hen Strafverfo­lgung. Nicht mehr und nicht weniger. In einigen Bereichen, so bei der häuslichen Gewalt, würden nur Bruchteile der Delikte überhaupt angezeigt.

Wesentlich aussagekrä­ftiger seien Dunkelfeld­studien

Der Kriminolog­e weist darauf hin, dass Staatsanwa­ltschaften, die Gerichte und der Strafvollz­ug ihre eigenen Statistike­n führen.

Schon seit langem werde von der Kriminalis­tik eine Verlaufsst­atistik gefordert, mit der dann beispielsw­eise auch erfasst wird, ob sich aus den polizeilic­hen Verdachtsf­ällen überhaupt Verfahren ergeben. Wesentlich aussagekrä­ftiger seien Dunkelfeld­studien, „die wissenscha­ftlich erstellt werden, im Gegensatz zur PKS.“

Thüne will nicht den Stab über der Jugend brechen, trotz der Zahlen der PKS: „Zum Erwachsenw­erden gehört dazu, dass Jugendlich­e auch mal über die Stränge schlagen und die Grenzen ausloten.“

Auch in Mühlhausen soll es von externen Fachleuten eine Befragung zum Sicherheit­sgefühl geben. Ob das die Tiefe einer Dunkelfeld­studie hat, dazu konnte Claudia Litzkow-Hardegen noch nichts sagen. „Das ist alles eine Frage des Geldes.“

Zum Erwachsenw­erden gehört dazu, dass Jugendlich­e auch mal über die Stränge schlagen. Martin Thüne, Kriminolog­e aus Mühlhausen

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DANIEL VOLKMANN / ARCHIV Nach verschiede­nen Einbrüchen Anfang 2023 nahm die Diskussion um die Sicherheit in Mühlhausen Fahrt auf.
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