Thüringer Allgemeine (Bad Langensalza)
Von Höhen und Tiefen
20 Jahre Spiegelzelt: Auftakt am 1. Mai auf Weimars Beethovenplatz
Marvin Reinhart
Weimar. „Jetzt kommt der Screen.“Martin Kranz sitzt am Montagvormittag sichtlich zufrieden auf der nagelneuen Bühne des „fliegenden Baus“, der einmal mehr auf dem Weimarer Beethovenplatz Gestalt annimmt. Hinter dem SpiegelzeltIntendanten rollt der meterhohe Bildschirm quer durch den Zuschauerraum, wo noch 520 Stühle gestellt werden müssen. Dann ist aber alles fertig, sagt Kranz.
Am Mittwoch, 1. Mai, gebührt dem Frauen-Quartett Salut Salon der erste Applaus der diesjährigen Köstritzer-Spiegelzelt-Saison. Diese wartet nicht nur mit 43 Abendveranstaltungen und 38 namhaften Künstlerinnen und Künstlern auf, sondern ist runder Geburtstag des zweitgrößten privat finanzierten Festivals im Freistaat: 20 Jahr Spiegelzelt – mit Höhen und Tiefen.
Start mit Gegenwind aus politischen Kreisen Zusammen mit TLZ-Chefredakteurin Gerlinde Sommer sowie dem ehemaligen Geschäftsführer der Köstritzer Schwarzbierbrauerei, Frank Siegmund, und dem derzeitigen Brauerei-Chef, Uwe Helmsdorf, blickt Martin Kranz zurück auf die Anfänge im Jahr 2003. Damals war er mit dem Kulturmanager Christoph Drescher noch Teil des Leitungsteams des Weimarer Kunstfestes. In diesem Rahmen ließen sie erstmals ein Spiegelzelt vor dem Stadtschloss aufstellen. Daraus entstand die Idee eines eigenständigen Festivals.
Von Anfang an mit im Boot war als Sponsor die Köstritzer Schwarzbierbrauerei, die damals ihre Werbestrategie in Gänze umstellte: Weg von klassischer Bier-Werbung hin zur Live-Präsentation, wie Frank Siegmund sagt.
Los ging die erste Spiegelzelt-Auflage am 12. Juni 2004. Damals mit Platz für 270 Besucher. Ob sich das Festival etablieren würde, stand in den Sternen. Auch aus dem politischen Weimar gab es anfangs Gegenwind, erinnert sich Gerlinde Sommer. Dass sich das Spiegelzelt über 20 Jahre durchsetzen würde, war längst nicht einhellige Meinung. Mittlerweile hat sich das Festival zu einem Fixpunkt der Thüringer
Kultur entwickelt, bekräftigt auch Uwe Helmsdorf, der als Gast schon den ersten Vorstellungen beiwohnte. Weit über 50 Prozent der Gäste kommen nicht aus Weimar, ergänzt Martin Kranz, der das Spiegelzelt auch als starken touristischen Faktor in der Kulturstadt versteht.
Als wegweisend blieb ihm das Jahr 2011 in Erinnerung. Damals trennten sich die Wege von Martin Kranz und Christoph Drescher, der bis zur 20. Auflage in diesem Jahr die Thüringer Bachwochen leitete. Zudem wuchs 2011 das Spiegelzelt auf seine heutige Größe.
Die Pandemie stellte einen weiteren Einschnitt dar. Noch heute fehlen 20 Prozent der Gäste, sagt der Intendant. In Vor-Corona-Zeiten waren üblicherweise 80 Prozent der Karten im Vorverkauf über den Tresen gegangen. Derzeit seien es knapp über 60. Das Publikum sei spontaner, die Abendkasse werde wichtiger. Generell stehe das Festival unter finanziellem Druck, was nicht zuletzt auch mit den aktuellen Krisen und damit verbundenen steigenden Kosten zusammenhängt. Begrenzt wurde daher und mangels Personals auch das gastronomische Angebot. Getränke, Biergarten und Kleinigkeiten zu Essen soll es aber auch in diesem Jahr wieder geben.
Stern-Combo und Porzellanfirma Meißen mit Überraschung Mittlerweile ist der Screen an seinem Bestimmungsort gelandet. „Dort wollen wir Bilder aus 20 Jahren Spiegelzelt zeigen“, sagt Martin Kranz. Und auch weiter hält die runde Geburtstags-Ausgabe so manche Überraschung parat. So ist erstmalig etwa die Rockband „Stern-Combo Meißen“an Bord – mit 60-jähriger Bandgeschichte wohl eine der ältesten noch bestehenden Rockbands Deutschlands. Zum Jubiläums-Tourauftakt am 11. Mai im Spiegelzelt habe die Porzellan-Manufaktur Meißen mit Geschäft in Weimar eine einmalige Überraschung vorbereitet.
Ein Wiedersehen gibt es ferner mit Tim Fischer, Andreas Rebers, Gustav Peter Wöhler und Maren Kroymann, die allesamt bei der ersten Auflage 2004 auf der Bühne standen. Letztmalig zu sehen sind indes Ennio Marchetto und Christine Prayon, die sich in diesem Jahr endgültig von der Bühne verabschieden.
Mit bekannten Größen wie dem Keimzeit Akustik Quintett (3. Mai), Ingolf Lück (5. Mai), Christian Ehring (12. Mai), Jan Plewka (14. Mai), Alin Coen (19. Mai) oder Rainald Grebe (10. und 11. Juni) wartet ein buntes Programm zwischen Kabarett und Musik auf die Gäste. „Die Mischung macht’s“, meint Martin Kranz – auch in politisch schweren Zeiten.
Einen Überblick über alle Künstler gibt es auf der Webseite des Köstritzer Spiegelzeltes oder im Programmheft.
Apropos: Wer dem SpiegelzeltTeam ein Programmheft von 2004 zur Verfügung stellt, könne sich per Mail an info@kulturdienst.com wenden und hat damit die Chance auf zwei Freikarten.
Karten unter www.ticketshop-thueringen.de.