Thüringer Allgemeine (Bad Langensalza)

Friedrich Merz kann Kanzler werden, wenn...

Der CDU-Chef hat beste Chancen auf die Kandidatur und auf einen Wahlsieg. Aber ein Restrisiko bleibt, das weiß auch die Partei

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Tim Kummert

Berlin. Es gibt einen Satz, den Friedrich Merz in der letzten Zeit besonders gern verwendet. Er benutzt ihn in verschiede­nen Varianten, der Inhalt ist immer derselbe. Und vergangene Woche, beim CDU-Parteitag in Berlin, war es wieder so weit. Merz stellte sich also auf die Bühne, drückte den Rücken durch und sagte: Die Union sei „sofort und spätestens im Herbst kommenden Jahres bereit, Verantwort­ung für Deutschlan­d zu übernehmen“. Bei anderer Gelegenhei­t formuliert Merz es so, dass er jederzeit Wahlkampf machen könne. Die Botschaft: Wir können loslegen, ich bin bereit – und wenn man mich lässt, werde ich sofort Bundeskanz­ler. Das ist sein Ziel, das ist der Anspruch von Friedrich Merz. Er selbst sieht sich schon auf halbem, vielleicht sogar auf drei Viertel des Weges ins Kanzleramt.

Der CDU-Vorsitzend­e tritt gerade deutlich vorsichtig­er auf

Die Union steht in den Umfragen blendend da, hat teilweise mehr Zustimmung als die drei Parteien der Ampelkoali­tion zusammenge­rechnet. Wer soll da Merz noch aufhalten? Darauf gibt es zwei Antworten: Die eine heißt Friedrich Merz selbst. Und die andere Markus Söder, sein bayerische­r Kontrahent. Es wird also nicht einfach für ihn.

Merz arbeitet in diesen Wochen konzentrie­rt daran, keine Fehler zu machen. Jede Äußerung wägt er sorgfältig ab, jedes Interview wird durchdacht. Merz, der sonst gern auch mal eine steile These raushaut, tritt plötzlich bedachter auf. Er will die guten Umfragewer­te nicht gefährden und gleichzeit­ig seine Position in der Partei weiterhin sichern. In der CDU nennt das mancher: Bloß nicht stolpern. Denn Merz weißt natürlich, was für Geschichte­n über ihn zirkuliere­n.

Der „Spiegel“berichtete kürzlich in einem langen Porträt, wie Merz eine CDU-Abgeordnet­e angeschrie­n habe, als er entrüstet war. Zuvor machte Merz immer wieder

Friedrich Merz, CDU-Vorsitzend­er, hat gute Chancen, der nächste Kanzler zu werden.

bei Fernsehint­erviews Schlagzeil­en. Er behauptete vor einigen Jahren, das „Establishm­ent“der CDU wolle ihn verhindern – es war ein Vokabular, das sonst Donald Trump benutzt. Einige Zeit später erklärte er, er habe mit Homosexual­ität kein Problem, solange dabei die Kinder aus dem Spiel blieben. Homosexual­ität und Pädophilie wurden in eine seltsame Nähe gerückt. In der CDU-Pressestel­le sorgen die Äußerungen des Chefs regelmäßig für Entsetzen.

Manche in der CDU glauben, das sei nun die Hauptaufga­be von Merz, wenn er wirklich Kanzler werden will: keine internen Wutausbrüc­he mehr und keine PresseStat­ements, die ihm schaden . Wenn er das schafft, kann es klappen mit dem großen Traum von der Kanzlerkan­didatur.

Vorausgese­tzt, die Umfragewer­te bleiben, wie sie sind.

Und dann ist da ja auch noch Markus Söder. Der bayerische Ministerpr­äsident und CSU-Chef betont – je nach Tagesverfa­ssung mal mehr, mal weniger deutlich –, dass er sich selbst die Kanzlerkan­didatur ebenfalls gut vorstellen könnte. Er weiß jedoch auch: Je stärker Merz ist, je unumstritt­ener er in der Partei und in den Umfragen dasteht, desto schlechter sind die Aussichten von Söder. Wenn Merz nicht stolpert, könnte die Union nicht nur in den Umfragen weiterhin gut dastehen. Sondern es wäre auch seine politische Lebensvers­icherung gegen den Rivalen aus Bayern.

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