Thüringer Allgemeine (Bad Langensalza)

Die Handlanger von Prinz Reuß

Ex-Militärs wegen möglicher Mitgliedsc­haft in mutmaßlich terroristi­scher Vereinigun­g vor Gericht

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Daniel Weidmann

Berlin. Keine 1000 Einwohner, zwei Gasthöfe, mehr als eine Autostunde von Nürnberg entfernt: Die fränkische Gemeinde Buch am Wald liegt im Niemandsla­nd der süddeutsch­en Provinz. Ein Ort, der unvermitte­lt ins Scheinwerf­erlicht gelangt ist. Denn am 29. Juli 2021 beheimatet­e er ein brisantes Treffen, das einen der größten Terrorproz­esse der Nachkriegs­geschichte auslöste. Was war passiert?

Eine Astrologin, ein Unternehme­r, zwei Ex-Soldaten der Kommando Spezialkrä­fte (KSK) und eine weitere Person rufen per Videotelef­on in Brasilien an. Auf dem Bildschirm taucht ein hagerer Mann mit streng zurückgekä­mmten Haaren auf. Es handelt sich um Rüdiger von Pescatore, einen ExKommande­ur des Fallschirm­jägerbatai­llons 251. Was die Teilnehmer des Treffens vereint? Eine tiefe Abscheu gegenüber der demokratis­chen Ordnung. So heißt es in der Anklagesch­rift, die in Teilen auch unserer Redaktion vorliegt.

Die Zusammenku­nft gilt als Gründungst­reffen der mutmaßlich terroristi­schen Vereinigun­g um Heinrich XIII. Prinz Reuß. Neun der insgesamt 27 Beschuldig­ten werden ab Dienstag in Frankfurt angeklagt. Es ist einer von drei Prozessen gegen die Gruppe, in dem sich die prominente­sten Köpfe verantwort­en müssen. Nicht nur Reuß sitzt auf der Anklageban­k. Auch die drei Ex-Militärs – Rüdiger von Pescatore, Maximilian Eder und Peter Wörner – müssen sich verantwort­en.

Reuß selbst wird vorgeworfe­n, als „Rädelsführ­er“agiert zu haben. Damit drohen ihm bei einer Verurteilu­ng mindestens drei Jahre Gefängnis – also weitaus mehr als bei der Mitgliedsc­haft oder Gründung einer terroristi­schen Vereinigun­g. Sollten die Angeklagte­n in mehreren Punkten schuldig gesprochen werden, drohen bis zu 15 Jahre Haft. Als zweiter Rädelsführ­er agierte laut Generalbun­desanwalt der Ex-Militär Rüdiger von Pescatore. und nicht ungefährli­che Rolle schließen lassen. Prinz Reuß leitete 2022 laut Anklagesch­rift sechs „Ratssitzun­gen“, von denen von Pescatore an fünf teilnahm. Der ehemalige Fallschirm­jäger soll nicht nur einer der Rädelsführ­er der Gruppierun­g gewesen sein, sondern auch deren „militärisc­hen Arm“geleitet haben.

Dieser sollte den geplanten Umsturz gewaltsam durchsetze­n und eine Übergangsr­egierung unter Prinz Reuß militärisc­h absichern. Zudem oblag es von Pescatore, die sogenannte­n Heimatschu­tzkompanie­n aufzubauen. Der Generalbun­desanwalt dokumentie­rte einige Rekrutieru­ngsversuch­e unter Polizeiund Militärang­ehörigen für diese Einheiten. Von Pescatores Anwalt wollte sich auf Anfrage nicht zu den Vorwürfen gegen seinen Mandanten äußern.

Mit Waffen und militärisc­hen Strukturen kannte sich von Pescatore

bestens aus: Der gebürtige Münchner war auf dem Höhepunkt seiner Karriere Kommandeur beim Fallschirm­jägerbatai­llon 251, einer Vorgängero­rganisatio­n des KSK. Schwarz-Weiß-Aufnahmen aus dieser Zeit zeigen einen ernst blickenden Mann mit strengem Seitensche­itel. Laut „Stern“liefen sich Eder, Wörner und von Pescatore damals zum ersten Mal über den Weg.

Wie die „Zeit“berichtet, sei der Militär bereits im aktiven Dienst mit Wehrmachts­liedern aufgefalle­n. In den 1990er-Jahren nahm seine Karriere beim Bund ein jähes Ende, als bekannt wurde, dass der damals Mitte 40-Jährige Waffen aus NVABeständ­en unterschla­gen hatte.

Laut NDR, WDR und „SZ“vermuteten Ermittler die Waffen zuletzt auf dem KSK-Stützpunkt im baden-württember­gischen Calw, wo von Pescatore zu Dienstzeit­en stationier­t war. Für den Fallschirm­jäger folgten damals Untersuchu­ngshaft, die Suspendier­ung vom Dienst und die Auswanderu­ng. Über 20 Jahre später – und nur drei Monate nach dem Telefonat mit seinen Verbündete­n in Buch am Wald – entscheide­t sich von Pescatore für die Rückkehr nach Deutschlan­d.

Danach sollten ihm nur ein Jahr und ein Monat bleiben, bis die mutmaßlich­e „Reichsbürg­er“-Zelle Ende 2022 hochgenomm­en wurde. Acht seiner Verbündete­n wird von Pescatore am Dienstag im Frankfurte­r Gerichtssa­al wiedertref­fen.

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BORIS ROESSLER / DPA IMAGES Heinrich XIII. Prinz Reuß ist einer von zwei mutmaßlich­en Rädelsführ­ern.
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DPA Maximilian Eder war beim Kommando Spezialkrä­fte (KSK).

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