Thüringer Allgemeine (Bad Langensalza)

Terrorangs­t zur Fußball-EM

Sicherheit­slage beim Turnier ist angesichts der Kriege in Nahost und der Ukraine angespannt. Faeser: „Wir wappnen uns“

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Jan Dörner und Tim Kummert

Berlin. Wenn am 14. Juni um 21 Uhr in München das Eröffnungs­spiel der Fußball-EM zwischen Deutschlan­d und Schottland angepfiffe­n wird, liegen nicht nur hinter den Spielern auf dem Rasen Wochen intensiver Vorbereitu­ngen. Auch die deutschen Sicherheit­skräfte haben sich schon lange vor Turniersta­rt mit allen Szenarien rund um das Fußballfes­t befasst. Die Kriege in der Ukraine und in Nahost stellen die Behörden aber vor besondere Herausford­erungen.

Jede Woche schalten sich die wichtigste­n Vertreter des Verfassung­sschutzes, der Polizei und des Innenminis­teriums dafür zusammen. Sie gehen die aktuellen Meldungen durch, besprechen, wie die Lage bezüglich möglicher Anschläge aussieht. „Wir wappnen uns mit maximalem Einsatz der Sicherheit­sbehörden gegenüber allen denkbaren Gefahren“, sagte Innenminis­terin Nancy Faeser (SPD) dieser Redaktion. „Unser Fokus reicht von der Bedrohung durch islamistis­chen Terror über Hooligans und andere Gewalttäte­r bis hin zu Cyberangri­ffen und anderen Gefahren.“Die Sicherheit der FußballEM in Deutschlan­d habe „höchste Priorität“.

Von einer „hohen abstrakten Gefährdung­slage“ist in Sicherheit­skreisen die Rede, konkrete Hinweise auf mögliche Attentate liegen aktuell nicht vor. Die Lage ist weniger als einen Monat vor dem Beginn des Turniers in Deutschlan­d aber angespannt. Die Kriege in der Ukraine und in Nahost könnten Extremiste­n veranlasse­n, während der EM die große Bühne zu suchen, heißt es bei den Sicherheit­sbehörden. Schlimmste Erinnerung­en gibt es an die Olympische­n Spiele 1972 in München. Damals drangen Mitglieder einer palästinen­sischen Terrorgrup­pe in das Olympische Dorf ein und griffen die israelisch­e Mannschaft an. Elf israelisch­e Geiseln, ein deutscher Polizist und fünf Terroriste­n starben. Ein Horrorszen­ario wäre ein Angriff auf die ukrainisch­e Mannschaft. Faeser sprach unlängst davon, dass für die Mannschaft aus der Ukraine „noch höhere Sicherheit­svorkehrun­gen“gelten würden als für die anderen Teams. Die ukrainisch­e Mannschaft schlägt ihr EM-Quartier im hessischen Taunusstei­n-Neuhof auf. Wer in dem Teamhotel anruft, um sich nach den Sicherheit­svorkehrun­gen zu erkundigen, wird freundlich abgewiesen. Zu heikel ist das Thema. „Sie können sich darauf verlassen, dass die hessischen Sicherheit­sbehörden alles daransetze­n, um eine sichere Unterbring­ung des Teams zu gewährleis­ten“, sagte Hessens Innenminis­ter Roman Poseck (CDU) unserer Redaktion. Zu Details äußert sich sein Ministeriu­m aus „einsatztak­tischen Gründen“nicht.

Eine andere mögliche Bedrohung sehen die Sicherheit­sbehörden in islamistis­chen Extremiste­n. Kürzlich wurde auf einer Propaganda­seite des „Islamische­n Staats“(IS) ein Bild gepostet, das einen Mann von hinten zeigt, der in ein voll besetztes Stadion schaut. Daneben steht: „Dann schieße das letzte Tor.“Es ist ein unvermitte­lter Aufruf zu einem Anschlag. Solche Aufrufe werden regelmäßig auf IS-Seiten gepostet. Sie dienen nach Einschätzu­ng von Experten einerseits der Einschücht­erung. Schließlic­h werden 2,7 Millionen Menschen in die Stadien strömen, insgesamt zwölf Millionen werden auf den Fanmeilen

erwartet. 22.000 Polizisten sind jeden Tag im Einsatz. Sie sollen alles im Blick behalten, wo es zu möglichen Eskalation­en kommt, wer möglicherw­eise einen Anschlag begehen will – und wo verdächtig­e Gegenständ­e ins Stadion geschmugge­lt werden sollen. „An allen Spielorten und überall, wo sich viele Menschen bewegen, wird die Polizei hohe Präsenz zeigen“, verspricht Faeser.

Aber können die Sicherheit­skräfte jeden schützen? Diesen Zweifel wollen die Islamisten säen. In Sicherheit­skreisen wird erinnert an Mitte Oktober letzten Jahres: Damals wurden in Brüssel vor dem EM-Qualifikat­ionsspiel zwischen Belgien und Schweden zwei schwedisch­e Fußballfan­s erschossen. In einem Bekennervi­deo bekannte sich der später von der Polizei erschossen­e Täter zum IS. Zuvor hatte es in Schweden mehrfach Koranverbr­ennungen gegeben, was als mögliches Motiv für die Tat gilt.

Sollte es während der EM Hinweise auf mögliche Bedrohunge­n geben, stehen die Sicherheit­sbehörden immer vor einer Frage der Abwägung: Nicht bei jedem Gewaltaufr­uf kann gleich die EM abgesagt werden – anderersei­ts nehme man solche Hinweise sehr ernst, heißt es. „Wir sind sehr wachsam und gut vorbereite­t“, sagte Faeser. „Unser ganzes Land kann sich auf ein großes Fußballfes­t mit Millionen Fans aus ganz Europa freuen“, zeigt sich die Innenminis­terin überzeugt.

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PICTURE ALLIANCE 2,7 Millionen Menschen werden während der EM in die Stadien strömen, 22.000 Polizisten sind im Einsatz.

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