Thüringer Allgemeine (Bad Langensalza)
„13 Jahre von zu Hause weg, das reicht“
Sonja Frey verlässt die THC-Handballerinnen zum Saisonende. In der Heimat Wien lässt sie noch nicht die Hand vom Ball. Doch das kommt. Ein Gespräch über eine lange Zeit im Leistungssport, Vergängliches und das, was bleibt
Steffen Ess
Erfurt. Laufen, Wandern, Radfahren – Sonja Frey, 31, zieht es oft in die Berge. Den Urlaub hat die Handballerin nicht selten im Auf und Ab der österreichischen Heimat verbracht. Auch, um das Gute zudem mit dem Nützlichen zu verbinden und das Unterwegssein als Vorbereitung zu sehen. Nach der Saison kehrt sie dorthin zurück. Einige Titel hat sie in Thüringen gefeiert. Zwei Spiele bleiben der gebürtigen Wienerin, bis es heißt, Abschied vom Thüringer HC zu nehmen – und so langsam auch vom Handball.
Hohe Wand, Sophienalpe, Bärenberg, Rax, Bucklige Welt, Wechsel, die Zwei Gehängten – Dutzende Berge umziehen Wien. Welcher ist der schönste? Oh, das kann ich gar nicht sagen. Die Orte sind ja auch mit Situationen verbunden. Die Landschaft um Wien ist wahnsinnig toll, sehr lebenswert. Du bist in einer Großstadt. Aber alles ist sehr naturbezogen. Die Donau, die Auengebiete, die Berge. Ich habe zwei Jahre in Paris gelebt, kein Auto. Dort bin ich nicht weit gekommen. Die Stadt ist zu mächtig. In Wien ist es nicht so, dass man nicht herauskäme. Ich werde es wieder erkunden.
Die Heimat ruft Sie nach Hause?
Ich bin jetzt 31. Ich habe gemerkt, ich schaffe das Trainingspensum nicht mehr. Und ich möchte es auch nicht mehr, ich kann mich nicht mehr so quälen. Deswegen habe ich schon im Januar für mich beschlossen, dass ich nächstes Jahr aufhören werde. Ich möchte mich auch mit vierzig, fünfzig oder sechzig noch bewegen können.
Klingt, als spräche aus Ihnen gerade die Physiotherapeutin?
Mir tut vieles weh. Handball ist nicht unbedingt ein gesunder Sport. Ich möchte den nicht missen. Es war sehr schön, noch einmal zum Thüringer HC und nach Erfurt zurückkommen zu können. Aber ich kann nicht mehr so viel trainieren.
Sonja Frey zieht die halbe generische Abwehr auf sich.
Ich war 13 Jahre zu Hause weg. Das reicht.
Es heißt, Sie spielen trotzdem zunächst weiter für Hypo Niederösterreich.
Ich trainiere dort. Und ich werde einige Spiele bestreiten. Das ist so abgemacht mit dem Verband. Ich möchte gern die Heim-EM mitspielen.
200 Spiele im THC-Trikot sind eine Menge. Was fällt Ihnen als Erstes ein, wenn Sie diese Revue passieren lassen?
Ich habe immer gern hier gelebt. Für mich war’s eine schöne Zeit. Ich bin schon stolz darauf, auch wenn ich gerade nicht einschätzen kann, ob das viele Spiele sind. Ich schaue nicht so auf Zahlen. Im Sport zählt der Erfolg, und dann der nächste und wieder der nächste. Vieles ist vergänglich.
Sie selbst zieht es gern in die Höhe. Auch Ihr Weg führte hinauf, seit Sie
einst nach vier Jahren beim THC nach Frankreich wechselten. Dijon, Paris, Esbjerg, Herning-Ikast und zurück an die Salza. Was bedeuten 13 Jahre Handball in Europas Top-Ligen.
Das war für mich eine tolle Erfahrung, solange Leistungssport betreiben zu können. Das möchte ich nicht missen. Aber ich lasse den Sport mal außen vor. Man reift vor allem als Mensch. Ich bin total froh, dass ich damals nach Frankreich gegangen bin – und später auch nach Dänemark. Frankreich war ein Wahnsinnserlebnis. Was mir bleibt, ist etwa, drei Jahre eben dort gelebt zu haben, ohne die Sprache damals zu beherrschen. Ich musste mich anpassen. Was mir bleibt, ist, dass es mir in Erfurt ermöglicht wurde, eine Ausbildung als Physiotherapeutin zu absolvieren – und Handball zu spielen. Dass mich die FH ( Marie Elise Kayser Schule) unterstützt hat, dass mich der Verein unterstützt hat. Dafür bin ich sehr dankbar. Ich durfte andere Kulturen kennenlernen, andere Gesellschaften, andere Menschen. Das fühlt sich gut an.
Dennoch ist es vor allem auch sportlich eine sehr erfolgreiche Zeit gewesen. Vier Meisterschaften, zwei Pokalsiege, ein Supercup mit dem THC, eine dänische Meisterschaft, ein Pokalsieg dort. Welcher Titel fehlte noch?
Keiner. Ich hätte mir nur gewünscht, dass wir es mit dem österreichischen Nationalteam früher zu einem Großereignis geschafft hätten. Für mich hatten wir uns sehr spät qualifiziert. 2021 erst. Diese WM in Spanien habe ich wegen Corona nicht erlebt. Und bei der Weltmeisterschaft in Norwegen ging es mir wegen der Fußverletzung nicht so gut. Da konnte ich nicht das spielen, was ich kann.
Die Heim-Weltmeisterschaft steht Ende des Jahres noch aus. Der perfekte Abschied?
Das ist so geplant. Ich werde sicher noch aushelfen, wenn mich Hypo oder die Nationalmannschaft braucht. Aber für mich es so, dass ich eigentlich nach der EM einen Schlussstrich ziehe. Das passt.
Wo gliedert sich diese Saison in diese bisherigen 13 Jahre im Profibereich ein.
Die ist leider nicht so erfolgreich, wie ich es mir erhofft hatte. Ich bin nicht gut gestartet. Der Kapselriss im Fuß hat viel Zeit gekostet. Dann bin ich im Januar über Angina hinweggegangen, dann bin ich nochmal drei Wochen ausgefallen. Das hat mich viel Kraft gekostet. Ich merke, das hängt mir immer noch nach. Die Regeneration dauert länger. Von daher bin ich mit meiner Saison nicht zufrieden.
Im Sport zählt der Erfolg, und dann der nächste und wieder der nächste. Vieles ist vergänglich. Sonja Frey, Rückraummitte-Spielerin des Thüringer HC
Noch ist diese aber nicht vorbei. Ein Spiel bleibt. Was wäre ein schöner Abschied?
Wenn der zweite Platz noch gelingt, wäre das toll für uns, auch wenn dafür vieles passen müsste.