Thüringer Allgemeine (Bad Langensalza)
Von Betonbrocken erschlagen
Nach dem Einsturz eines Strandrestaurants auf Mallorca mit vier Toten läuft die Suche nach den Ursachen
Ralph Schulze und Ingo Wohlfeil
Madrid/palma. 26 Grad an der Playa de Palma, die Liegen zwischen den Strandlokalen Balneario 1 und 2 sind gut belegt. Getränkehändler preisen Mojitos und Caipirinhas an. Männer in Trikots öffnen ihr erstes Bier an der Promenade. Ein ganz normaler Tag an der Playa, würden sich da nicht wenige Meter weiter Feuerwehrmänner durch einen Berg von Schutt kämpfen. Ein Einsatzwagen versperrt die Straße am Strand. Geraunte Kommentare wie „Wahnsinn“oder „Krass!“sind von den zahlreichen Schaulustigen zu hören. Sie begutachten das, was nach dem Einsturz vom Medusa Beach Club übrig geblieben ist.
Einige der Passanten machen Fotos von jenem Strandrestaurant, in dem am Donnerstagabend kurz nach 20 Uhr ein Teil der Dachterrasse einbrach und die dort feiernden Menschen mit sich riss. Die Trümmer trafen weitere Gäste, die im Erd- und im Kellergeschoss an Tischen und an der Bar saßen.
Was folgte, waren bange Stunden: Während die Polizei die Schaulustigen inständig bat, leise zu sein, um Lebenszeichen unter den Trümmern zu lokalisieren, tapsten betrunkene Partyurlauber teils grölend, teils witzelnd durch die Absperrungen. Keiner von ihnen war in der Lage, die Situation zu erfassen. Und keiner von ihnen bemerkte den Mann, der wenige Meter entfernt zusammengesunken unter einem Sonnenschirm saß und weinte.
Mo (Name von der Redaktion geändert) erlebte, wie sein Freund Abdoulaye von den Betonbrocken erschlagen wurde. Passanten hatten versucht, seinen Freund, der im Medusa zu Abend gegessen hatte, über zehn Minuten lang wiederzubeleben. Vergebens. „Es ist nicht die Zeit für Gespräche“, sagte ein Landsmann von Mo, der dem Weinenden den Kopf streichelte, auf Französisch. „Es ist Zeit für Trauer.“
Am Freitagmorgen meldete die Feuerwehr, es gebe keine Verschütteten mehr. Alle Opfer konnten geborgen werden. Die Bilanz dieser Horrornacht: vier Tote und 14 Verletzte – darunter viele Urlauber. Unter den Todesopfern befinden sich nach Polizeiangaben auch zwei deutsche Touristinnen. Sie sollen 20 und 30 Jahre alt sein. Die anderen beiden Toten: eine 23 Jahre alte spanische Kellnerin und Mos Freund, ein 44-jähriger Senegalese, der in der nahe gelegenen Disco Magic als Türsteher arbeitete.
Spekulationen über Pfusch am Bau – die Kripo ermittelt
Wenige Tage vor dem Unglück hatte der Medusa Beach Club in den sozialen Netzwerken die Eröffnung einer neuen Dachterrasse angekündigt – mit Sofas und herrlichem Blick aufs Meer. Dort feierten die Menschen am Donnerstagabend und genossen den Sonnenuntergang
über der Bucht von Palma.
Schon Stunden nach dem Unglück kommen Vermutungen auf, dass es Baumängel in dem Gebäude, das bereits ziemlich alt sein soll, gegeben habe. Der Chef der örtlichen Feuerwehr, Eder García, sagte noch in der Nacht: „Die Terrasse ist wahrscheinlich wegen einer zu großen Belastung heruntergestürzt.“Waren an diesem Abend eventuell zu viele Menschen auf der neu eröffneten Terrasse? Wurde bei den Umbauarbeiten, die kurz zuvor beendet worden sein sollen, gepfuscht?
Am Freitagmorgen begannen Ermittler der Kripo und der städtischen Bauaufsicht, in dem eingestürzten Partyclub nach möglichen Ursachen zu suchen. Der Chef der mallorquinischen Architektenkammer,
Bernat Nadal, schloss nicht aus, dass die Umbauarbeiten nicht korrekt durchgeführt worden seien. „Es ist möglich, dass es da einen Zusammenhang gibt“, sagte er. Hartmut Kalleja, Präsident der Bundesvereinigung der Prüfingenieure für Bautechnik (BVPI), gab im Gespräch mit dieser Redaktion zu bedenken: „Es kommt darauf an, ob die Dachterrasse als solche freigegeben wurde, also auch als solche genutzt werden durfte. Das würde ich als Erstes überprüfen.“Je nach Nutzung gälten nämlich unterschiedliche Belastungsgrenzen.
Anwohner sprechen von Schlamperei. Sie werfen den Behörden vor, die Bausubstanz und die Sicherheit der Bars, Restaurants und Diskotheken an der Playa de Palma nicht ausreichend zu kontrollieren. „Wir befürchteten, dass das einmal passieren könnte“, sagte Francisco Nogales, der Vorsitzende des Nachbarschaftsvereins, gegenüber der Inselzeitung „Última Hora“. „Die Gebäude hier sind zwischen 80 und 90 Jahre alt, es werden keine Inspektionen durchgeführt und der Zustand verschlechtert sich.“
In der Tat machen etliche Gebäude des Partyviertels an der Playa de Palma nicht durchweg einen modernen Eindruck. Es wird nach Angaben der Anwohner viel improvisiert und Mängel werden mit Farbe, schummriger Beleuchtung und mediterraner Dekoration kaschiert. Gründlich saniert werde wenig, heißt es. Galt dies auch für den Medusa Beach Club? Dieser verteilte sich über zwei benachbarte Gebäude. Beide Clubteile hatten Dachterrassen – eine davon brachte nun vier Menschen den Tod. Mallorcas Regierung ordnete drei offizielle Trauertage an. Die Flaggen auf der Urlaubsinsel wehen bis Sonntag auf halbmast. Vor dem Rathaus Palmas hielten Politiker eine Schweigeminute ab. Spaniens Regierungschef Pedro Sánchez übermittelte den Familien der Opfer des „schrecklichen Unglücks“sein Beileid. Er hoffe auf eine schnelle Erholung der Verletzten.