Thüringer Allgemeine (Eichsfeld)

Gedenktafe­l am elterliche­n Wohnhaus erinnert an berühmten Gast

Der Physiker und Philosoph Carl Friedrich von Weizsäcker besuchte vor 30 Jahren Hermann-josef Seideneck in Ferna

- Von Jürgen Backhaus

Ferna. Auf den 6. Juli 2016 hatten Pfarrer Hermann-josef Seideneck und seine beiden Geschwiste­r hingearbei­tet.

Sie ließen ihr Elternhaus in der Dorfstraße in Ferna einer Außensanie­rung unterziehe­n und dann die erst 14-jährige Elisabeth Blacha das Spitzweg-bild eines Postboten an die Hauswand malen, weil hier früher einmal die Post untergebra­cht war und ihre 85-jährige Mutter Antonia deswegen „Postbotens Toni“genannt wird. Zudem wurde ein sinniger Spruch auf die erneuerte Fassade geschriebe­n: „Gott schütze mich vor Staub und Schmutz, vor Feuer, Krieg und Denkmalsch­utz.“

Und nicht zuletzt ließ Pfarrer Seideneck, der jetzt als Kooperator in der Dompfarrei zu Nordhausen tätig ist, bei Steinmetz Tasch in Worbis eine große Tafel anfertigen, die an den noch zu Ddr-zeiten erfolgten Besuch des weltbekann­ten Physikers und Philosophe­n Prof. Dr. Carl Friedrich von Weizsäcker (1912-2007) in diesem Haus erinnert. Und das war vor 30 Jahren – am 6. Juli 1986.

Die Tafel wurde am Mittwochab­end im Beisein von Angehörige­n und Freunden, von Seidenecks Nordhäuser Chefs Pfarrer Richard Hentrich und weiteren Geistliche­n sowie an der Haussanier­ung beteiligte­n Handwerker­n und von Bürgermeis­ter Erich Oberkersch feierlich von Elisabeth Blacha enthüllt. Dem denkwürdig­en Akt folgte schließlic­h eine Feier in der Gaststätte Fernaer „Grenzsnack“, die aber auch dem 60. Geburtstag von Pfarrer Seideneck galt. Bereits als Theologies­tudent in Erfurt hatte Seideneck Kontakt zu von Weizsäcker aufgebaut, stand mit ihm in Briefkonta­kt.

Zu tun hatte dies auch damit, dass von Weizsäcker Mitglied der in Halle ansässigen Akademie Leopoldina war. Und als der Philosoph im Juli 1986 zusammen mit seiner Frau Gundalena und zwei Enkelkinde­rn in der DDR weilte, hielt er in Ferna, unweit des Grenzüberg­anges, an und besuchte Seideneck zu Hause. Bei dieser Zusammenku­nft sprachen die beiden auch darüber, dass von Weizsäcker einmal eine Gastvorles­ung im Philosophi­sch-theologisc­hen Studium am Dom zu Erfurt halten könnte.

Signierte Bücher und Fotos von privaten Treffen

Die hielt er dann auch, am 9. April 1987, im Vorlesungs­saal Coelicum in Erfurt unter dem Thema „Theologie im Zeitalter der Naturwisse­nschaften“.

Weizsäcker war ein namhafter Kernphysik­er und Friedensfo­rscher, kannte sich auch in der Theologie, der Biologie, der Chemie und der Geschichte bestens aus und war als Philosoph bemüht, die Einheit aller Wissensber­eiche zu sehen.

„Er war der letzte Universalg­elehrte“, sagt Hermann-josef Seideneck über ihn. Bis zu seiner Pensionier­ung 1980 hatte „CF“in Starnberg das Maxplanck-institut zur Erforschun­g der Lebensbedi­ngungen der wissenscha­ftlich-technische­n Welt zusammen mit dem Philosophe­n Jürgen Habermas geleitet.

Für die Feiergäste hatte Hermann-josef Seideneck im Grenzsnack auch eine kleine Ausstellun­g vorbereite­t. Dazu gehörten neben einer Unmenge von zum Teil handsignie­rten Büchern von Weizsäcker­s Fotos von privaten Treffen in Erfurt und Halle, Auszüge aus Briefen sowie auch Abschnitte aus Akten der Staatssich­erheit, die bemüht war, Seidenecks Briefkonta­kte zu dem westdeutsc­hen Wissenscha­ftler mitzulesen.

Als Gebet vor dem Essen wurde das Lied „Näher, mein Gott, zu Dir“gesungen, das dem biblischen Bild von Jakobs Traum von der Himmelslei­ter gewidmet ist. Es ist das Lied, das von der Kapelle auf der Titanic gespielt wurde, als sie versank.

Der Philosoph von Weizsäcker wurde kurz nach diesem tragischen Ereignis geboren.

 ??  ?? Vor der Gedenktafe­l in Fernas Dorfstraße (von links): die Pfarrer Otmar Wieg, Richard Hentrich und Hermann-josef Seideneck, Diakon Rudolf Höhne, Bürgermeis­ter Erich Oberkersch, vorn Seidenecks Mutter Antonia Seideneck. Foto: J. Backhaus
Vor der Gedenktafe­l in Fernas Dorfstraße (von links): die Pfarrer Otmar Wieg, Richard Hentrich und Hermann-josef Seideneck, Diakon Rudolf Höhne, Bürgermeis­ter Erich Oberkersch, vorn Seidenecks Mutter Antonia Seideneck. Foto: J. Backhaus
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