Thüringer Allgemeine (Eichsfeld)
Im Widerstand
Es gibt immer mal wieder Männer, und es sind immer Männer, die parallel zu ihrer fortschreitenden Ergrauung politisch von ganz links nach ganz rechts wandern. Horst Mahler, der es mittels einiger politischer Pirouetten von der RAF zur NPD schaffte, ist eines der eindrücklichsten Beispiele.
Die gemäßigte Variante stellt Jürgen Elsässer dar. Der Mann schrieb für den kommunistischen „Arbeiterkampf“und die sozialistische „Junge Welt“– und gehörte um den Mauerfall herum zu den Begründern einer sogenannten antideutschen Bewegung.
Und nun? Nun gibt er das „Compact-magazin“heraus, das sich zu einer Art Zentralorgan von Pegida und des rechten Flügels der AFD entwickelt hat.
Am 4. September, dem Abend der Landtagswahl in Mecklenburg-vorpommern, interviewte Elsässer zum Beispiel den thüringischen Afd-landeschef Björn Höcke. Seine Partei, sagte dieser, sollte „ihren Kurs der Fundamentalopposition unbedingt weiter konsequent fortführen“. „Die Altparteien müssen den Kelch der Verantwortung bis zur Neige leeren.“
Elsässer schien sehr einverstanden zu sein. Schließlich hat er es, irgendwie, doch immer schon so gesehen. Wenn man es denn so betrachten will, folgt seine Wandlung durchaus einer inneren Logik; ja, er bleibt sich auf eine krude Art treu. Damals wie heute geht es gegen die Etablierten, gegen das westliche System, gegen den angloamerikanischen und/oder zionistischen Imperialismus.
Jürgen Elsässer war und ist, da wie dort, im unbedingten Widerstand – wo auch Höcke zu finden ist. Nicht umsonst bezeichnete er die AFD in seiner „Erfurter Resolution“im März 2015 „als Widerstandsbewegung gegen die weitere Aushöhlung der Souveränität und der Identität Deutschlands“.
Das wichtigste gemeinsame Prinzip der äußersten Linken wie Rechten lautet, dass die Macht nur ganz errungen werden kann – oder gar nicht. Denn wer sich, je nach Sprachregelung, mit der herrschenden Klasse oder dem Kartell der Alt- und Systemparteien einlässt, gehört bald selbst dazu. (Außerdem, und das ist das eigentliche Problem, geht er der ganzen schönen Proteststimmen verlustig.)
Es ist eben kein Zufall, dass die Linke, die im Osten fast schon in allen Bundesländern einmal mitregierte oder gerade mitregiert, insbesondere Stimmen an die AFD verliert. Denn wenigstens bislang galt in Deutschland: Wer koalitionsfähig sein will, muss sich in den Mainstream hinein bewegen, in der vagen Hoffnung, dass der Zugewinn bei den gemäßigten Wählern die Verluste egalisiert.
Dagegen steht die Dagegen-strategie der Radikalen. So wie der fundamentalistische Flügel in der Linken um Sahra Wagenknecht jede Liaison mit den Weicheiern von der SPD ablehnt, drängt innerhalb der AFD das Lager um Höcke auf eine absolute Absage an jede Koalition. Schon bloße Andeutungen aus der Bundesspitze, sich möglicherweise an einer Regierung beteiligen zu wollen, wertet der hiesige Afd-vorsteher als Verrat an der konservativen Revolution (und der Kernwählerschaft).
Die Ähnlichkeit in der Strategie führt zu Überschneidungen im Inhalt. Wenn Wagenknecht gegen den Euro polemisiert oder Putin belobigt, glaubt man, die AFD zu hören. Wenn wiederum Höcke die soziale Gerechtigkeit gegen das Finanzkapital beschwört, klingt er wie die Linke.
Rum wie num gilt die trumpe Lamentei: Die Eliten sind korrupt, die Medien gleichgeschaltet und die Dinge, wie wir sie kannten, an ihrem ebenso unausweichlichen wie katastrophalen Ende angelangt.
Dies alles ist natürlich nicht neu. Schon Kommunisten und Nationalsozialisten kämpften, wenn sie sich nicht gerade Straßenschlachten lieferten, zuweilen um dieselben Zielgruppen. Dies führte zu einem antidemokratischen Überbietungswettbewerb, an dem, unter anderem, die Weimarer Republik zu Grunde ging. 1930 erklärte die KPD die NSDAP gar zu einer schlechten faschistischen Kopie von ihr und versprach die „nationale und soziale Befreiung des deutschen Volkes“. Man werde, hieß es, den Versailler Vertrag „zerreißen“und „denjenigen deutschen Gebieten, die den Wunsch danach äußern werden, die Möglichkeit des Anschlusses an Sowjetdeutschland sichern“. So ähnlich, nur ohne die Sache mit dem Sowjet, kam es ja wenige Jahre später auch.
Höcke, der seine politische Karriere als Opfergang stilisiert, verkörpert dieses Alles-oder-nichts-prinzip. Seit Monaten bezeichnet er die AFD als „Kanzlerpartei“. Am Wochenende wiederholte er seine Ansage, dass die Landespartei keine Koalitionen eingehen werde, es sei denn, sie – also er – stehe an der Spitze der Regierung. Dafür, sagte er, benötige man bei der Landtagswahl 2019 „30 Prozent plus x“.
Wie immer, wenn Höcke etwas meint, meint er auch dies sehr ernst.