Thüringer Allgemeine (Eichsfeld)
„Rocco und seine Brüder“zwanghaft auf Spaß gebürstet
Schauspiel-premiere am DNT: Weimarer Adaption des bekannten Stückes ist wenig preisverdächtig
Weimar. Träum weiter, Luca (Oscar Olivo), damit dein letzter Gedanke „Ich weiß, dass das Leben von morgen viel besser und aufrichtiger sein wird“der Welt und den Menschen nebst den jubelnden Besuchern der jüngsten Schauspiel-premiere am Deutschen Nationaltheater Weimar als milde Hoffnung im Gedächtnis nachschwingt.
Es birgt stets ästhetische Gefahren, wenn ein bekanntes, stimmiges Kunstwerk, gleich welcher Gattung es angehört, adaptiert wird. Meist bleibt den ehrgeizigen Machern nur ein Filetieren, der kräftige Schnitt ins Fleisch. Der Handlungsstrang wird zerlegt, unerwünschte Teile entfernt und neue, mehr oder weniger handlungstragende Ingredienzien hinzugefügt.
Dieser Vorgehensweise bedienen sich Dramaturgin Beate Seidel und Regisseur Christian Weise, die unter Einbeziehung von Texten Oscar Olivos und des Spielensembles eine neue Fassung für „Rocco und seine Brüder“nach dem gleichnamigen Spielfilm Luchino Viscontis erstellten. Wurde Viscontis packendes, tragisch überhöhtes Sozialdrama 1960 beim Filmfestival in Venedig mit dem Silbernen Löwen ausgezeichnet, ist die Weimarer Adaption eher weniger preisverdächtig.
Zugutehalten muss man Christian Weise, dass er eine Idee hat und die Originalgeschichte um Rosaria Parondi, die sich mit ihren Söhnen aus der Provinz aufmacht, um in der Großstadt ein besseres Leben zu finden, wenigstens ansatzweise erzählt. Doch zugunsten ziemlich simpler Lebensberichte der Darsteller tritt das Schauspielerische in den Hintergrund.
Diese einseitige Dimension wirkt darstellerisch und emotional wie ein Flachbildschirm, der einen gegenwärtig mit Fluchtgeschichten überflutet. Ähnlich wie bei ausführlich beschriebenen Krankheitsbildern hört man letztendlich nur noch mit einem Ohr hin. Woran es der Inszenierung vor bunten Positionslichtern einer Start- und Landebahn im Bühnenhintergrund (Martin Miotk) mangelt, ist eine sozialkritische Positionierung. Nicht zuletzt deshalb erinnert manches an die von Christian Weise am DNT realisierte Kabarett-revue „Wie werde ich reich und glücklich?“
Dramaturgische Mängel und akustisches Beiwerk
Damals ließ der Regisseur die Frage naturgemäß unbeantwortet. „Rocco und seine Brüder“hingegen bürstet er zwanghaft auf Spaß. Dialektfärbungen aus aller Herren Länder sind nett, doch wenn die angeblich sich um ihre Söhne sorgende Mutter Rosaria (Dascha Trautwein) wie ein schlaffes Klageweib auftritt, wenn die von Rocco (Fridolin Sandmeyer) und Simone (Krunoslav Šebrek) gleichermaßen begehrte Nutte Nadia (Simone Müller) mit quäkendem Stimmchen schnippische Dialoge führt, können deftige Worte zum Beispiel vom „Kanaken“oder ein ausgiebig zelebrierter Zungenkuss zum Broschenklau dramaturgische Mängel nicht aufwiegen.
Abgesehen von ihren teils amüsanten und auch im Programmheft gedruckten Erzählungen sind Thomas Kramer (Ciro), Nahuel Häfliger (Vincenzo), Bernd Lange (Giulio und vier weitere Rollen) lediglich Staffage. Ähnliches gilt für die von Mitgliedern der Staatskapelle Weimar unter der Leitung von Jens Dohle gespielte Bühnenmusik. Sie fungiert als akustisches Beiwerk, das allerdings vom untermalenden Hundegeheul bis zu metrisch akkurat gesetzten Boxschlägen perfekt funktioniert. Zwischen intonierten Capri-fischern und Traviatas Trinklied lernt der Theaterbesucher en passant, was auf den Strich gehen und Boxen verbindet, dass der Traum von einer glücklichen Zukunft am besten im Wiener Walzer widerhallt, dass die Sänger Larissa Krokhina und Jaesig Lee (alte Egos) ebenfalls nette Auswanderergeschichten erzählen können und der Damenchor schöne Vokalisen hervorbringt. Die nächsten Aufführungen: . Oktober, Uhr, . Oktober, Uhr, . November, Uhr, . November, Uhr, . Dezember, . Uhr.