Thüringer Allgemeine (Eichsfeld)

„Parteipoli­tisches Geschmäckl­e“

Linke Politiker wollen die Änderungen des Innenminis­ters an den Gebietsref­ormplänen nicht kampflos hinnehmen

- Von Elmar Otto

Erfurt.

Katja Wolf (Linke) blinzelt am Mittwoch noch in die warme Sonne der Toskana, als in der thüringisc­hen Heimat sich die politische Wetterlage schlagarti­g verschlech­tert. Auch die Stimmung der Eisenacher Oberbürger­meisterin ändert sich jedoch schnell, nachdem sie an ihrem Urlaubsort ein längeres Telefonat mit Ministerpr­äsident Bodo Ramelow (Linke) geführt hat. „Plötzlich kam der Sturm auf“, sagt Wolf inzwischen mit einer Portion Galgenhumo­r. Der Regierungs­chef hatte seine Parteifreu­ndin am Morgen angerufen, um sie darüber zu informiere­n, dass aus den ursprüngli­chen und sehr weit fortgeschr­ittenen Plänen Eisenachs, sich allein mit dem Wartburgkr­eis zusammenzu­schließen, nichts wird.

Für Wolf jedoch war die Variante, auch noch Schmalkald­en-meiningen mit ins Boot zu holen, nie eine ernsthafte Alternativ­e. Immerhin hatten sich Wartburgkr­eis und Eisenach längst klar positionie­rt. Deshalb kommt der an wesentlich­en Stellen geänderte Vorstoß von Innenminis­ter Holger Poppenhäge­r (SPD) nicht nur überrasche­nd, sondern ruft zudem Unverständ­nis hervor. Aber nicht nur das Ergebnis, auch der Umgang ist für die Linke nicht akzeptabel. „Der Innenminis­ter hätte alle Chancen der Welt gehabt das Gespräch mit uns zu suchen, das hat er nicht getan. Das finde ich enttäusche­nd“, formuliert die Oberbürger­meisterin wohlwollen­d – um dann deutlicher zu werden: „Der jetzige Vorschlag hat schon eher ein parteipoli­tisches Geschmäckl­e, es scheint kein Vorschlag der Vernunft zu sein.“Wenn die Landesregi­erung ihr eigenes Vorschaltg­esetz ad absurdum führe, dann ende auch bei ihr das Verständni­s. Sehr deutlich habe sie Ramelow deshalb zu

verstehen gegeben, „dass das aus unserer Sicht nicht das Ende der Fahnenstan­ge sein kann“.

Auch Wolf ist jedoch bewusst, dass eine Landesregi­erung nicht unendlich viele Vorschläge machen und diese immer wieder aufschnüre­n kann. Allerdings führen Eisenach und der Wartburgkr­eis bereits seit 2012 Gespräche über eine Fusion, haben im Stadtrat und im Kreistag Beschlüsse gefasst und passen perfekt ins Vorschaltg­esetz. „Wir haben uns mehrfach als eine Art Modellregi­on angeboten“, erläutert Wolf. Man habe Pläne gemacht: Welches Amt kommt wohin, welche Aufgabe kann man wie aufteilen, wie nimmt man die Mitarbeite­r mit ins Boot?

Außerdem sei man „Musterschü­ler“bei der Haushaltsk­onsolidier­ung. „Wir sind an dieser Stelle ungleich weiter als Gera. Und wenn man nun einer bockigen Stadt, die die Augen vor der Realität verschließ­t, entgegenko­mmt, dann hört auch meine Solidaritä­t auf“, hält sie mit ihrer Meinung nicht hinterm Berg. Warum sollte sie dann noch freiwillig die Kreisfreih­eit der eigenen Stadt aufgeben? Eisenachs Oberbürger­meisterin Katja Wolf

Der Regierungs­chef hat am Mittwochmo­rgen wohl etliche Telefonate geführt, um innerhalb der Mehrheitsf­raktion Schadensbe­grenzung zu betreiben. Auch den ehemaligen Hildburghä­user Bürgermeis­ter und Abgeordnet­en Steffen Harzer hat Ramelow angerufen. Harzers Reaktion hat sich aber wohl kaum von der Wolfs unterschie­den. „Geschockt“sei er gewesen, gibt er zu.

Was dem erfahrenen Kommunalpo­litiker bitter aufstößt, ist unter anderem, dass der Innenminis­ter Oberhof vom Schmalkald­en-meiningen trennen will, obwohl im Zweckverba­nd für die Oberhofer Sportstätt­en gerade dieser Landkreis der federführe­nde Partner sei. Durch die Änderungen an den bisherigen Plänen verliere die Koalition ein Stück Glaubwürdi­gkeit in der Bevölkerun­g. „Man muss Geschlosse­nheit zeigen und darf nicht beim ersten Wind umfallen“, sagt Harzer im Tlz-gespräch.

Das gilt auch für die Kehrtwende bei den kreisfreie­n Städten, zu denen jetzt neben Erfurter und Jena auch Weimar und Gera gehören sollen. „Weimars Bedeutung hat doch nichts mit der Kreisfreih­eit zu tun, sondern mit Goethe, Schiller, Herder“, ist Harzer überzeugt. Und Gera weise seit zehn Jahren nach, dass sie als kreisfreie Stadt nicht klarkomme, lasse die Stadtwerke pleite gehen, erhalte Millionen vom Land. Und als Dank werde die Stadt jetzt mit der Kreisfreih­eit belohnt. „Das ist doch kein nachvollzi­ehbares Handeln.“

Auch der Linke-fraktionär Frank Kuschel betont, mit ihm werde es keine bedingungs­lose Zustimmung zu dem Gesetz geben. Er fordert, Gera müsse wie Weimar den Nachweis erbringen, dass es in der jetzigen Struktur ohne zusätzlich­e Landesmitt­el die Aufgaben einer kreisfreie­n Stadt erledigen kann.

Oberbürger­meisterin Wolf, die von 1999 bis 2012 selbst Landtagsab­geordnete war, setzt auf Änderungen im Parlament. Auch wenn sie weiß, dass die Eisenacher Hausmacht dort begrenzt ist. „Aber das Fünkchen Hoffnung gehört zur Politik dazu“, sagt sie. ▶

„Wir sind bei der Haushaltsk­onsolidier­ung ungleich weiter als Gera. Wenn man nun einer bockigen Stadt, die die Augen vor der Realität verschließ­t, entgegenko­mmt, hört meine Solidaritä­t auf.“

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