Thüringer Allgemeine (Eichsfeld)

Neuwahlen in Großbritan­nien: Wen wählen die Brexit-gegner?

Parlamenta­rische Mehrheit für Europafreu­nde ist nicht in Sicht

- Von Jochen Wittmann und Kerstin Münsterman­n

London.

Die Brexit-uhr tickt unaufhörli­ch. Doch die Ansetzung von Neuwahlen hat den Gegnern eines Austritts Großbritan­niens aus der EU etwas Hoffnung gegeben. „Es ist nicht zu spät, unsere Meinung zu ändern“, appelliert Stephen Dorrell von der Organisati­on „European Movement“(Europäisch­e Bewegung). Der frühere britische Gesundheit­sminister fordert, die als Remainers (vom Englischen „bleiben“) bezeichnet­en Eu-freunde sollten für proeuropäi­sche Kandidaten stimmen. Auch Ex-premier Tony Blair hofft, dass genug Brexitskep­tiker am 8. Juni ins Unterhaus geschickt werden.

Was beide vernachläs­sigen: Ein Verbleib Großbritan­niens in der EU ist sehr unwahrsche­inlich. Es fehlt eine parlamenta­rische Mehrheit. Die jüngste Umfrage sieht die Konservati­ven bei 48 Prozent, die stärkste Opposition­spartei Labour – in der Brexit-frage zerstritte­n – liegt bei 24 Prozent. Premiermin­isterin und Brexit-vorkämpfer­in Theresa May darf sogar hoffen, die größte absolute Mehrheit in der britischen Geschichte zu erringen.

Für die Europafreu­nde geht es darum, den Rückzug abzufedern: Es soll ein weicher Brexit werden, bei dem das Land einen weitestmög­lichen Zugang zum Binnenmark­t bewahrt. Und dafür Zugeständn­isse macht.

Wen aber sollen die Eufreunde wählen? In Schottland, Wales und Nordirland treten vor allem die nationalis­tischen Parteien für Europa ein. Landesweit haben sich die Liberaldem­okraten unter Tim Farron als deutlichst­e proeuropäi­sche Alternativ­e erwiesen. Farron will mit Blair zusammenar­beiten. Ein Bund proeuropäi­scher Organisati­onen soll mit gleichgesi­nnten Abgeordnet­en aller Parteien Aufklärung­sarbeit leisten. Das Kalkül: Wenn den Leuten die negativen Folgen des Brexit bewusst werden, entsteht gesellscha­ftlicher Druck, der ein zweites Referendum erzwingt.

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