Thüringer Allgemeine (Eichsfeld)
In besonders sensiblen Wäldern kommt auch das Pferd zum Einsatz
Bodenschonende Rückarbeiten laufen zurzeit im Revier Westerwald, in dem immer viele Wanderer unterwegs sind
Wachstedt.
Lanzelot bleibt geduldig stehen und dreht sich um zu Sigmar Hübschmann, der gerade die Kette um das dicke Ende eines Buchenstamms schlingt. Ein kurzer Zug an den Leinen und ein Kommando – und Lanzelot zieht die Stämme vom Weg weg an den Rand. So geht das Stamm um Stamm.
Das Rheinisch-deutsche Kaltblut Lanzelot ist ein vierjähriger Wallach. „Der hat vor einem Vierteljahr noch nicht gewusst, dass man im Wald auch arbeiten kann“, sagt Sigmar Hübschmann aus Berka vor dem Hainich, der hier mit Lanzelot als Subunternehmer engagiert wurde. Seit 22 Jahren „rückt“er, wie es in der Forstsprache heißt, jeweils ein halbes Jahr lang mit Pferden Holz, meist rund um den Nationalpark Hainich. Und während der anderen Jahreshälfte arbeitet er als Angestellter in der Landwirtschaft mit Maschinen, bietet aber auch Kutsch- und Kremserfahrten an. Allein vom Rücken mit Pferden kann kein Unternehmer leben, da diese Arbeit relativ teuer ist und nur in sensiblen Bereichen gefragt. Der Forst könne seine Holzmengen nur mit Technikeinsatz bewältigen oder wie hier beim aktuellen Einschlag im Revier Westerwald in der finanziell machbaren „Kombination von Pferd und Forwarder“, erklärt Achim Otto, der Leiter des Heiligenstädter Forstamtes. Wenn die Vollerntemaschine Harvester im Einsatz ist, holt der Forwarder die Stämme direkt vom Fällort ab. Hier im Westerwald werden die Bäume in diesem Fall von Waldarbeitern (korrekt: Forstwirten) mit der Kettensäge gefällt und vom Pferd bis zur nächsten Rückegasse oder an den Wegrand gezogen. Dadurch wird der Waldboden abseits der Wege und Gassen geschont, weil dort keine schweren Maschinen im Einsatz sind, wie Revierleiter Stefan Leonhardt erläutert.
„Es gibt ohne Kran auch weniger Schäden am verbleibenden Bestand“, sagt Leonhardt. Zudem könne hier die abschließende Rückearbeit bis in die trockene Witterungsphase Mai/juni verschoben werden, wenn die Rückebetriebe kaum noch zu tun haben. „Es steht in unserer Verantwortung, dass die örtlichen Rückebetriebe ihr Einkommen haben“, sagt Achim Otto. Aufträge bekämen diese nach dem Frühjahr sonst nur in Nadelwaldgebieten wie dem Thüringer Wald. Das spätere „Endrücken“sei aber nicht immer so umsetzbar, wegen einzuhaltender Lieferverträge.
Zum Pferderücken im Revier Westerwald habe man sich auch schon im vorigen Jahr entschlossen, weil es sich hier wegen der vielen Spaziergänger und Wandertouristen um einen besonders sensiblen Bereich handele, sagt Stefan Leonhardt. Es liege in diesem Fall also nicht an einem besonders tiefgründigen Boden oder einer Steilhanglage.
Auf 18 Hektar Fläche läuft im Revier Westerwald in einem rund 70 Jahre alten Waldstück eine Durchforstung. „Ein mäßiger Eingriff bei Buche und Edellaubhölzern“, sagt Leonhardt. Dabei würden die Edellaubhölzer Berg- und Spitzahorn, Esche, Kirsche, Ulme und Elsbeere gefördert. Das heißt, dass neben den schwarz markierten „Zukunftsbäumen“jeweils „ein Bedränger weggenommen wird, meist eine Buche“, wie Forstamtsleiter Otto erklärt. „Sonst würden die Buchen ihnen keine Chance lassen.“Immerhin solle es ja auch im forstlich genutzten Wald eine naturnahe Artenvielfalt geben. Und durch die jeweils selektive Entnahme – den Gegensatz zum Kahlschlag – werde auch eine altersmäßige Durchmischung erreicht.
Leonhardt hatte beim Markieren der zu fällenden Bäume auch alle Eschen ausgewählt, die am Eschentriebsterben leiden, einer erst vor zwei Jahrzehnten vermutlich aus Japan nach Europa eingeschleppten Pilzinfektion. Und es sind nicht wenige Eschen betroffen. „Die Waldwirtschaft ist Teil eines sehr bedeutenden Wirtschaftszweiges“, sagt Forstamtsleiter Achim Otto. In der gesamten Holzbranche in Deutschland – vom Forst bis zum Druckereigewerbe und der energetischen Holznutzung – gebe es aktuell mehr als 1,1 Millionen Arbeitsplätze. Das seien laut dem Deutschen Holzwirtschaftsrat weit mehr Beschäftigte als im Maschinenund Anlagenbau, der Elektroindustrie oder im Automobilbau.
„Zum Cluster Forst und Holz gehören in Thüringen rund 40 000 Arbeitsplätze, je 100 Festmeter genutzten Holzes 1,2 Arbeitsplätze“, sagt Otto. Und in der Verarbeitungskette gebe es pro Festmeter immerhin ein Steueraufkommen von 80 Euro.
Arbeit in Kombination von Pferd und Maschine