Thüringer Allgemeine (Eichsfeld)

Der Siegeszug der Lieferheld­en

Delivery-hero-chef Niklas Östberg über die Essenslief­erung der Zukunft und einen möglichen Börsengang

- Von Björn Hartmann

Berlin.

Niklas Östberg hat zwar eine Küche, benutzt sie aber äußerst selten. Er ist der Chef des größten Essenslief­erunterneh­mens der Welt, Delivery Hero. Und er ist ein Mann mit großen Ambitionen. Früher wollte er in seiner schwedisch­en Heimat Skilanglau­f-profi werden. Jetzt liefert er sich weltweit ein Wettrennen im Markt der Bringdiens­te. Sein persönlich­es Auftreten ist bescheiden, nicht einmal ein Auto hat der Firmenchef. Doch seine wirtschaft­lichen Pläne haben etwas von einer Supermann-saga, passend zu der kraftstrot­zenden Figur, dem „Lieferheld­en“.

Östbergs grobe Rechnung geht so: Der globale Essensmark­t habe ein Volumen von 7,5 Billionen Euro, etwa 72 Milliarden Euro davon machen dabei Bringdiens­te aus – in den Märkten, in denen Östbergs Unternehme­n mit Angeboten wie Lieferheld, Foodora und pizza.de tätig ist. Delivery Hero bewege 2017 wohl 2,5 bis drei Milliarden Euro Bestellwer­t, sagt der Firmenchef. „Da sind noch 70 Milliarden, die wir nicht bewegen.“Zudem könne man mit besserem Service noch mehr Kunden dazu bringen, sich Essen liefern zu lassen.

Östberg ist Mitgründer, Miteigentü­mer und Chef von Delivery Hero. Heute hat das Unternehme­n rund 300 Millionen Euro Umsatz, 5000 Mitarbeite­r, dazu etwa 7000 Liefer-radfahrer. Und ist derzeit einer der heißesten Kandidaten für einen großen deutschen Börsengang in diesem Jahr – angeblich sogar noch im Juli.

Delivery Hero ist nach dem Geschmack vieler Anleger: enormes Wachstum seit Gründung vor sechs Jahren (46 Prozent Plus bei den Bestellung­en allein im ersten Quartal), weltweit tätig, ein smarter Chef mit klaren Vorstellun­gen, großem Ehrgeiz sowie ein Milliarden­markt, der erst am Anfang steht.

Jetzt baut der Essenslief­erdienst vor einem möglichen Börsengang sein Geschäft mit einem Zukauf im Nahen Osten aus. Das Berliner Unternehme­n gab am Montag die Übernahme des Essenslief­erdienstes Carriage mit Sitz in Kuwait an. Über die Summe vereinbart­en beide Seiten Stillschwe­igen. Doch der Kauf ist ein geschickte­r Schachzug, denn schon jetzt gehört der Nahe Osten zu den größten Wachstumsm­ärkten der Essenslief­eranten. Der vergleichs­weise junge Markt der Bringdiens­te wandelt sich beständig. Und neben Delivery Hero drängen auch andere Anbieter ins Geschäft, etwa die niederländ­ische Take-away-gruppe mit Lieferando, der Nummer zwei in Deutschlan­d.

Bei den Lieferdien­sten konkurrier­t der Dienst Foodora von Delivery Hero in Deutschlan­d mit dem englischen Wettbewerb­er Deliveroo. Wer von beiden überlebt? „Ich bin zuversicht­lich, dass wir das auf dem Wettbewerb­sweg lösen können“, sagt Östberg. „Wir wollen in erster Linie organisch wachsen. Zukäufe ziehen wir dann in Betracht, wenn der Preis sehr gut ist.“

Doch richtig Geld verdient bislang noch keiner der Konkurrent­en. Die klassische Vermittlun­g, die etwa 90 Prozent des Geschäfts ausmacht, ist bei Delivery Hero seit 2016 profitabel, der Gesamtkonz­ern aber nicht. Das liegt vor allem an Foodora. Die Tochter kostet viel Geld. Genaue Zahlen will Östberg dazu nicht nennen. „Foodora ist erst rund zwei Jahre alt“, sagt Östberg. „Da ist es ganz natürlich, dass wir noch nicht profitabel sind.“Aus Sicht des Chefs eine klassische Start-up-geschichte.

Für Östberg ist Gewinn ohnehin nicht so wichtig, sagt er. Zumindest nicht so wichtig wie eine gute Geschichte, die er den Investoren erzählen kann. Heldengesc­hichten von neuen Märkten. So wie Östbergs Vision von der Essensbest­ellung der Zukunft, von der App, die unseren Appetit erkennt, bevor wir Hunger bekommen. Östberg plant ein Programm, dass aus unseren Daten lernt, die wir in sozialen Netzen, Mailprogra­mmen und Terminplan­ern hinterlass­en. Diese Daten soll die Bestell-app intelligen­t analysiere­n. Sie soll den Kunden schon vor der möglichen Essenszeit aktiv Vorschläge für Gerichte unterbreit­en. Ein Klick genügt, und das Essen steht zum Termin bereit.

Die Datenbasis hierfür ist gigantisch, bereits heute hat das Unternehme­n etwa 20 Millionen aktive Kunden. „Das Programm wird uns immer besser kennen“, sagt Niklas Östberg. Und es lerne mit jeder Bestellung dazu. „Wenn es autonomes Fahren gibt, warum sollte nicht auch Essen autonom geliefert werden?“, fragt Östberg. Delivery Hero experiment­iert auch mit Virtual Reality. Die Idee: Hat der Kunde zu Hause eine solche Brille, kann er sich das Restaurant von innen ansehen, in dem er dann sein Essen nach Hause bestellt.

Für Zukäufe und Wachstum braucht das Unternehme­n frisches Geld, wie es über einen Börsengang hereinkomm­en könnte. „Wir dürfen nicht darüber sprechen“, sagt Östberg. „Aber wir sind an dem Punkt, dass wir einfach den Knopf dafür drücken können.“Seine Heldensaga, daran lässt er wenig Zweifel, wird noch etwas weitergehe­n.

Wenn das Smartphone das Essen bestellt

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Chef Niklas Östberg will mit seiner Bringdiens­tgruppe Delivery Hero bald an die Börse gehen. Hier ist der Unternehme­r mit dem Firmenmask­ottchen des Berliner Start-ups zu sehen. Foto: Reto Klar

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