Thüringer Allgemeine (Eichsfeld)
Rollator im Flur zugestellt
Herzkranke Rentnerin kann ihre Gehhilfe nicht nutzen. Kowo ist um Einzelfalllösung bemüht
Heiligenstadt.
Kinderwagen und Rollatoren sind, wenn man so will, fahrbare Untersätze mit starkem Symbolwert. Das eine Gefährt steht für die Freude darüber, dass weiterhin Kinder geboren und umsorgt werden, das andere dafür, dass unsere Gesellschaft immer älter wird, wobei der Rollator älteren Menschen noch lange Zeit die Mobilität erhält. Beide Gefährte können sich aber auch mal im Wege stehen, zum Beispiel in einem sehr engen Eingangsbereich eines Mehrfamilienwohnhaus.
Seit sieben Jahren ist eine jetzt 73-jährige Heiligenstädterin wegen eines schweren Herzleidens, der zu einer 70-prozentigen Schwerbehinderung führte, auf ihren Rollator angewiesen, wenn sie aus dem Haus will. Mit nur 30-prozentiger Herzleistung darf sie auch nicht schwer heben und tragen. Sie wohnt mit ihrem Ehemann im 2. Obergeschoss eines älteren Kowo-mehrfamilienhaus mit nur wenigen Mietparteien. Jahrelang gab es kein Problem, wenn sie in dem sehr engen Eingangsbereich neben der Haustür ihren Rollator abstellte. Aber seit einigen Wochen steht ein Kinderwagen davor, und die Gehhilfe passt nur noch zusammengeklappt geradeso in die Ecke. Die Seniorin müsste das Gerät hochheben, um es nutzen zu können. Aber das kann sie nicht, weshalb sie seit Wochen das Haus nur noch zusammen mit ihrem Mann und bei Benutzung des Autos verlassen kann. Aus Prinzip hebt ihr Mann weder den Rollator aus der Ecke, noch fasst er den Kinderwagen
an. Vor einigen Monaten war eine junge Familie mit Kleinkind in der untersten Etage eingezogen. Zunächst hatten sie ihren Kinderwagen wie versprochen aus Rücksicht anderweitig abgestellt, aber nun beansprucht er den bisherigen Rollator-platz. Eine Einigung unter den Mietparteien steht nicht in Aussicht.
Das Rentnerehepaar hat Jana Schäfer, die bei der Kommunalen Wohnungsgesellschaft Obereichsfeld mbh für Mieterfragen zuständig ist, um eine kleine Überdachung für den Rollator draußen neben der Tür gebeten. So etwas gebe es leider bei der Kowo nicht; die Mieter könnten das Problem nur untereinander klären, bekamen sie zur Auskunft.
„In der Regel ist es möglich, dass sich eine Mietergemeinschaft einig wird“, sagt Jana Schäfer im Gespräch mit dieser Zeitung und fügt hinzu, dass das Kowo-geschäftsführer Thorsten Groß
Abstellen von Kinderwagen und Rollatoren im Treppenhaus laut Hausordnung zwar nicht zulässig sei, aber geduldet werde. Leider sei in diesem Haus aus den 50er Jahren kein Abstellraum gebaut worden. Und die geringe Treppenbreite lasse auch nicht den Einbau eines Liftes zu, mit dem der Rollator bis zur Wohnung befördert werden könnte.
Auch der An- oder Einbau eines Fahrstuhls sei bei diesem Haus nicht möglich, sagt Kowogeschäftsführer Thorsten Groß. „Aber bis jetzt haben wir immer eine Einzelfalllösung gefunden.“Die könnte hier darin bestehen, wie sich im Pressegespräch ergab, ein kleines Podest vor die erste Treppenstufe zu stellen, so dass der Kinderwagen zum Teil auf der Treppe steht und Platz für das griffbereite Abstellen des Rollators bleibt.
Die Kowo tue ihr Möglichstes, dass ältere Mieter im gewohnten Umfeld bleiben können, nicht nur in den 100 betreuten Wohnungen. Ihr sei bewusst, dass sie sich (auch) auf die älter werdende Gesellschaft einstellen müsse. Groß verweist zum Beispiel darauf, dass bei Modernisierungen, Stufen beseitigt und Badewannen durch Duschen ersetzt werden.
Für Nutzer von Elektrofahrstühlen seien Steckdosen zum Aufladen in Vorräumen oder neben Eingängen installiert worden, für Menschen mit Handicap auch Treppenlifte und eine Hebebühne. Fahrstühle gebe es in den Objekten Liebermannstraße (mit Laubengängen), Altstädter Kirchplatz und Felgentor und im Neubau Brauhausplatz, wo ein Rollator oder ein Fahrrad auch in der Tiefgarage bleiben könne. Geduldet werde in den Treppenhäusern auch „eine wohnliche Gestaltung mit Bildern und Blumen“, sagt Thorsten Groß. „Da sind wir die Letzten, die das untersagen.“Aber natürlich dürfe ein Treppenhaus-flur nicht mit Schuhen oder Mitbringseln zugemüllt werden. Zu Streit unter Mietern habe aber mal eine Weihnachtskerze in einem Treppenhaus geführt.
„Als Wohnungsunternehmen müssen wir uns auch auf das Älterwerden der Gesellschaft einstellen.“
Kein einziger Rechtsstreit der Kowo mit Mietern
„Die Mutter hatte Angst, dass sich die Kinder verbrennen.“Ansonsten habe Ärger meist mit Lärm von Mietmietern zu tun, so auch beim derzeit einzigen Fall, wo jemand eine Mietminderung beantragt habe, „die wir nicht für gerechtfertigt halten“, so Groß. Zudem freut sich Groß, dass es in seinen bisherigen drei Kowo-jahren keinen einzigen Rechtsstreit mit Mietern gab. Dazu dürfte es auch bei dem Rollator nicht kommen, obwohl diese Thematik schon deutsche Gerichte beschäftigt hat.
Denn zum Interessenausgleich „Kinderwagen – Rollator“könnte ja hier eine technische Lösung führen.