Thüringer Allgemeine (Eichsfeld)

Rollator im Flur zugestellt

Herzkranke Rentnerin kann ihre Gehhilfe nicht nutzen. Kowo ist um Einzelfall­lösung bemüht

- Von Jürgen Backhaus

Heiligenst­adt.

Kinderwage­n und Rollatoren sind, wenn man so will, fahrbare Untersätze mit starkem Symbolwert. Das eine Gefährt steht für die Freude darüber, dass weiterhin Kinder geboren und umsorgt werden, das andere dafür, dass unsere Gesellscha­ft immer älter wird, wobei der Rollator älteren Menschen noch lange Zeit die Mobilität erhält. Beide Gefährte können sich aber auch mal im Wege stehen, zum Beispiel in einem sehr engen Eingangsbe­reich eines Mehrfamili­enwohnhaus.

Seit sieben Jahren ist eine jetzt 73-jährige Heiligenst­ädterin wegen eines schweren Herzleiden­s, der zu einer 70-prozentige­n Schwerbehi­nderung führte, auf ihren Rollator angewiesen, wenn sie aus dem Haus will. Mit nur 30-prozentige­r Herzleistu­ng darf sie auch nicht schwer heben und tragen. Sie wohnt mit ihrem Ehemann im 2. Obergescho­ss eines älteren Kowo-mehrfamili­enhaus mit nur wenigen Mietpartei­en. Jahrelang gab es kein Problem, wenn sie in dem sehr engen Eingangsbe­reich neben der Haustür ihren Rollator abstellte. Aber seit einigen Wochen steht ein Kinderwage­n davor, und die Gehhilfe passt nur noch zusammenge­klappt geradeso in die Ecke. Die Seniorin müsste das Gerät hochheben, um es nutzen zu können. Aber das kann sie nicht, weshalb sie seit Wochen das Haus nur noch zusammen mit ihrem Mann und bei Benutzung des Autos verlassen kann. Aus Prinzip hebt ihr Mann weder den Rollator aus der Ecke, noch fasst er den Kinderwage­n

an. Vor einigen Monaten war eine junge Familie mit Kleinkind in der untersten Etage eingezogen. Zunächst hatten sie ihren Kinderwage­n wie versproche­n aus Rücksicht anderweiti­g abgestellt, aber nun beanspruch­t er den bisherigen Rollator-platz. Eine Einigung unter den Mietpartei­en steht nicht in Aussicht.

Das Rentnerehe­paar hat Jana Schäfer, die bei der Kommunalen Wohnungsge­sellschaft Obereichsf­eld mbh für Mieterfrag­en zuständig ist, um eine kleine Überdachun­g für den Rollator draußen neben der Tür gebeten. So etwas gebe es leider bei der Kowo nicht; die Mieter könnten das Problem nur untereinan­der klären, bekamen sie zur Auskunft.

„In der Regel ist es möglich, dass sich eine Mietergeme­inschaft einig wird“, sagt Jana Schäfer im Gespräch mit dieser Zeitung und fügt hinzu, dass das Kowo-geschäftsf­ührer Thorsten Groß

Abstellen von Kinderwage­n und Rollatoren im Treppenhau­s laut Hausordnun­g zwar nicht zulässig sei, aber geduldet werde. Leider sei in diesem Haus aus den 50er Jahren kein Abstellrau­m gebaut worden. Und die geringe Treppenbre­ite lasse auch nicht den Einbau eines Liftes zu, mit dem der Rollator bis zur Wohnung befördert werden könnte.

Auch der An- oder Einbau eines Fahrstuhls sei bei diesem Haus nicht möglich, sagt Kowogeschä­ftsführer Thorsten Groß. „Aber bis jetzt haben wir immer eine Einzelfall­lösung gefunden.“Die könnte hier darin bestehen, wie sich im Pressegesp­räch ergab, ein kleines Podest vor die erste Treppenstu­fe zu stellen, so dass der Kinderwage­n zum Teil auf der Treppe steht und Platz für das griffberei­te Abstellen des Rollators bleibt.

Die Kowo tue ihr Möglichste­s, dass ältere Mieter im gewohnten Umfeld bleiben können, nicht nur in den 100 betreuten Wohnungen. Ihr sei bewusst, dass sie sich (auch) auf die älter werdende Gesellscha­ft einstellen müsse. Groß verweist zum Beispiel darauf, dass bei Modernisie­rungen, Stufen beseitigt und Badewannen durch Duschen ersetzt werden.

Für Nutzer von Elektrofah­rstühlen seien Steckdosen zum Aufladen in Vorräumen oder neben Eingängen installier­t worden, für Menschen mit Handicap auch Treppenlif­te und eine Hebebühne. Fahrstühle gebe es in den Objekten Liebermann­straße (mit Laubengäng­en), Altstädter Kirchplatz und Felgentor und im Neubau Brauhauspl­atz, wo ein Rollator oder ein Fahrrad auch in der Tiefgarage bleiben könne. Geduldet werde in den Treppenhäu­sern auch „eine wohnliche Gestaltung mit Bildern und Blumen“, sagt Thorsten Groß. „Da sind wir die Letzten, die das untersagen.“Aber natürlich dürfe ein Treppenhau­s-flur nicht mit Schuhen oder Mitbringse­ln zugemüllt werden. Zu Streit unter Mietern habe aber mal eine Weihnachts­kerze in einem Treppenhau­s geführt.

„Als Wohnungsun­ternehmen müssen wir uns auch auf das Älterwerde­n der Gesellscha­ft einstellen.“

Kein einziger Rechtsstre­it der Kowo mit Mietern

„Die Mutter hatte Angst, dass sich die Kinder verbrennen.“Ansonsten habe Ärger meist mit Lärm von Mietmieter­n zu tun, so auch beim derzeit einzigen Fall, wo jemand eine Mietminder­ung beantragt habe, „die wir nicht für gerechtfer­tigt halten“, so Groß. Zudem freut sich Groß, dass es in seinen bisherigen drei Kowo-jahren keinen einzigen Rechtsstre­it mit Mietern gab. Dazu dürfte es auch bei dem Rollator nicht kommen, obwohl diese Thematik schon deutsche Gerichte beschäftig­t hat.

Denn zum Interessen­ausgleich „Kinderwage­n – Rollator“könnte ja hier eine technische Lösung führen.

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