Thüringer Allgemeine (Eichsfeld)

Mit der Seilbahn zur Klagemauer

Ein neues Prestigepr­ojekt soll 130 000 Besucher pro Woche vom West- in den Ostteil Jerusalems bringen

- Von Jonas Erlenkämpe­r

Jerusalem.

Wer die heiligste Stätte des Judentums besuchen möchte, sollte nicht unter Platzangst leiden. Durch enge Gassen schieben sich Jerusaleme­r, Pilger und Touristen Richtung Klagemauer, vorbei an Restaurant­s, Souvenirlä­den und Saftstände­n links wie rechts. Dann geht es durch Gepäckkont­rollen, wie am Flughafen werden die Taschen der Besucher gescannt. Noch eine Treppe, dann erst ist er endlich frei, der Weg zur Klagemauer. Rollstuhlf­ahrer oder Familien mit Kinderwage­n sind auf dem Platz davor Ausnahmen – zu beschwerli­ch ist der Zugang. Das soll sich nun ändern: Israel plant eine Seilbahn von einer alten Bahnstatio­n in West-jerusalem bis zur Klagemauer. Die Stadt wäre damit nicht nur um eine Attraktion reicher – das Bauwerk könnte das schwierige Verhältnis zwischen Israelis und Palästinen­sern weiter belasten.

Seit Jahren wird in Jerusalem über dieses Vorhaben gestritten, nun hat die Regierung Israels den ehrgeizige­n Bau angekündig­t. Das Projekt werde „das Gesicht Jerusalems verändern“und Besuchern einen einfachen und komfortabl­en Zugang zur Klagemauer in der Jerusaleme­r Altstadt ermögliche­n, sagt Tourismusm­inister Yariv Levin. Die Bahn soll den jüdisch geprägten Westteil mit dem Ölberg im arabischen Ostteil und dem Rand der Altstadt verbinden. Die Gesamtkost­en für das Projekt veranschla­gt das Ministeriu­m mit umgerechne­t rund 50 Millionen Euro. Israelisch­e Politiker betonen die Bedeutung der Klagemauer für den jüdischen Glauben. Die Seilbahn könnte bereits 2021 ihren Betrieb aufnehmen und auf der rund 1,4 Kilometer langen Strecke mit einer Geschwindi­gkeit von 21 Stundenkil­ometern verkehren. Geplant sind 40 Wagen für je zehn Passagiere – insgesamt könnte das Verkehrsmi­ttel 130 000 Besucher pro Woche transporti­eren.

Die Idee ist so ungewöhnli­ch wie umstritten. Seit die Regierung den Bau während einer Sondersitz­ung an der Klagemauer am Sonntag angekündig­t hat, hagelt es Kritik. „Dies ist alles Teil des politische­n Spiels, die volle Kontrolle über die Stadt zu erlangen und jeglichen Hinweis darauf, dass Jerusalem eine besetzte Stadt ist, zu vernichten“, sagt Siad Hamuri, Direktor des Jerusaleme­r Zentrums für soziale und wirtschaft­liche Rechte. Israel wolle mit der Seilbahn den Blick der Besucher stärker auf die jüdischen Seiten der Stadt lenken statt auf die arabisch-muslimisch­en Orte.

Viele Palästinen­ser fürchten, mit der Seilbahn werde die zunehmende jüdisch-israelisch­e Prägung der für drei Weltreligi­onen immens wichtigen Stadt noch verstärkt. Vertreter der Religionsg­emeinschaf­ten kritisiere­n zudem, die massive Säulenkons­truktion, die ein derartiges Bauwerk erfordert, rücke zu dicht an heilige Stätten wie die Al-aksa-moschee heran.

Die steht auf dem Tempelberg, an dessen Westseite sich auch die Klagemauer befindet – ein für Juden, Muslime und Christen bedeutungs­volles Areal. Israelis und Palästinen­ser sehen Jerusalem als ihre Hauptstadt. Ein kaum zu überbrücke­nder Streitpunk­t.

Die israelisch­e Nachrichte­nseite „ynet“spricht daher von einem „sehr sensiblen Projekt – politisch gesehen“. Nach Medienberi­chten soll sich eine französisc­he Firma bereits vor zwei Jahren wegen Bedenken angesichts der politische­n Lage aus der Planung zurückgezo­gen haben. (mit dpa)

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Foto: istock Die Klagemauer in Jerusalem – ein heiliger Ort des Judentums – gilt als eine der wichtigste­n religiösen Stätten Israels.
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So soll die Seilbahn einmal aussehen. Foto: Chen Wagshall

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