Thüringer Allgemeine (Eichsfeld)
Gegner im Asylstreit
Die Union zerfällt bei der Asylfrage in zwei Lager. Wer kämpft bei den heutigen Parteitreffen gegen wen und warum?
Angela Merkel
Die Kanzlerin löst Probleme vom Ende her. Wenn Deutschland Flüchtlinge zurückweist, dann mag das den Druck auf andere europäische Länder erhöhen. Es erschwert aber Verhandlungen über andere Probleme. Merkel will niemanden vergraulen, den sie an anderer Stelle noch braucht, um deutsche Interessen durchzusetzen. Außerdem ist sie nicht bereit, das Symbol der offenen Grenze, die ja Kern ihrer Flüchtlingspolitik ist, zu opfern.
Annegret Kramp-karrenbauer
Wenn jemand die eigenen Reihen schließen kann, dann die Generalsekretärin der CDU. Kramp-karrenbauer ist in der Partei hoch angesehen. Sie will sich von der CSU nicht einschüchtern lassen und Merkels Linie verfolgen: keine nationalen Alleingänge, dafür bilaterale Abkommen mit Eu-staaten. Das ist auch die Linie des hessischen Ministerpräsidenten Volker Bouffier (CDU), der am 28. Oktober eine Landtagswahl hat.
Wolfgang Schäuble
Der Bundestagspräsident steht trotz inhaltlicher Differenzen und persönlicher Enttäuschungen loyal zu Merkel. Im Asylstreit unterstützt er ihre Position, weil er ein überzeugter Europäer ist. Gleichzeitig ist Schäuble im konservativen Lager der Partei hoch angesehen; er förderte Merkel-kritiker Jens Spahn. Schäuble ist einer der Cdu-politiker, die Merkel helfen und vermitteln können – auch wenn dies dementiert wird.
Volker Kauder
An diesem Montag tagen die Spitzen von CDU und CSU in Berlin und München unter Leitung der Parteichefs Angela Merkel und Horst Seehofer.
An diesem Montag und Dienstag spricht Angela Merkel mit Italiens Ministerpräsident Giuseppe Conte und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron in Berlin über Flüchtlinge.
Bis zum Eu-gipfel am 28./29. Juni hat Merkel Zeit, mit Eu-kollegen eine Flüchtlingsrücknahme zu vereinbaren. Seit mehr als 15 Jahren hält er Merkel in unterschiedlichen Positionen politisch den Rücken frei. Jetzt muss er als Chef der Bundestagsfraktion die Truppen hinter der Kanzlerin sammeln. Am Dienstag misslingt ihm das spektakulär – in der Fraktionssitzung spricht niemand offen für Merkel. Viele Cdu-abgeordnete teilen die Positionen der CSU. Für Kauder wird das schwierig: Im Herbst will er als Fraktionschef bestätigt werden.
Horst Seehofer
Der Innenminister und CSU-CHEF hatte schon oft Streit mit Merkel. „Ich kann mit der Frau nicht mehr arbeiten“, soll Seehofer intern gesagt haben. Ein Aufstöhnen oder das Ende der Koalition? Seehofer ist erfahrener Taktiker. Einen Bruch mit der CDU kann er nicht wollen, allein wäre die CSU die kleinste Fraktion im Bundestag. Seehofer signalisiert daher Kompromissbereitschaft. Sein Ziel: die Grenze symbolisch dicht zu machen.
Alexander Dobrindt
Der Chef der 46 Csu-bundestagsabgeordneten (die ganze Cdu/csu-bundestagsfraktion hat 246 Abgeordnete) will den rechten politischen Rand für die Union zurückerobern und die AFD überflüssig machen. Nicht nur in der Asylpolitik lehnt Dobrindt Merkels Kurs ab. Er ist ein Meister der Zuspitzung, den aktuellen Konflikt hat er selbst aufgebracht. Damit will Dobrindt sich in Position bringen, um CSU-CHEF zu werden.
Markus Söder Jens Spahn
Der Gesundheitsminister ist Wortführer der Merkel-gegner in der CDU. Seinen Platz im Präsidium der Partei und am Kabinettstisch hat er sich hart erkämpft – gegen Merkels Willen und mit Rückendeckung seiner Mitstreiter, zu denen einflussreiche Wirtschaftspolitiker zählen. Spahn fühlt sich zu Höherem berufen, Vorbild ist Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz. Im Asylstreit hat er in der Sache noch nichts gesagt. Seit März ist er Ministerpräsident in Bayern und muss bei der Landtagswahl am 14. Oktober die absolute Mehrheit der CSU verteidigen. Söders Problem: In den Umfragen hat die CSU nur 42 Prozent. Erzfeind AFD ist mit 13 Prozent zweitstärkste Partei – mit der SPD. Eine Koalition mit den Sozialdemokraten wäre für Söder der Horror. Mit Kreuzen in Amtsstuben und einem harten Asylkurs will er gewinnen, sonst wäre er schwer angeschlagen.