Thüringer Allgemeine (Eichsfeld)

Liebe ist doch nur ein Wort

Verdis „La Traviata“als ein ungefährli­cher Abend des schönen Gesangs

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Lieblose Lust oder Liebeslust, die ohne Liebesleid nicht zu haben ist – das ist der szenische Seelenboge­n der Violetta im ersten Akt, von „È strano!“bis „Sempre libera degg’io“. Zinzi Frohwein beschreibt ihn stimmlich souverän, ihr klarer Sopran durchschre­itet kühn die Klaviatur des Staunens, Hoffens, Bangens, Zögerns, Trotzens. Denn da meint einer nur sie, bedingungs­los: Das ist so unglaublic­h wie kaum auszuhalte­n.

„La Traviata“in Sondershau­sen kann man gut aushalten. Wer sie besucht, begibt sich in keine emotionale

Zinzi Frohwein als Violetta in Violett, Kyounghan Seo als Alfredo auch.

Gefahr. Sie ist einfach nur harmlos, sie wühlt einfach nichts auf.

Operndirek­torin Anette Leistensch­neider und Ausstatter Christian Floeren, der historisie­rende Kostüme in Schwarz-rot-violett hält, lagern die Liebe buchstäbli­ch aus. Vier „Love“-lettern prägen die Bühne: ein L, ein O, ein V, ein E als große verrückbar­e Leuchtbuch­staben. So marktschre­ierisch preisen sie das Thema einer Oper an, die sich ja doch um nichts anderes dreht – und in der eine Gattung ganz bei sich ist. Je greller diese vier Buchstaben leuchten, umso blasser wirkt die Szene. Liebe ist hier nur ein Wort. Da ist viel Grandezza in den Stimmen – und viel zu wenig Leidenscha­ft.

Dabei weiß Leistensch­neider laut Programmhe­ft genau, worum’s geht: um Verdis „emotionals­te Musik“, mit oder nach der sie inszeniere­n will. Soweit die Theorie. In der Praxis bleiben viele Gelegenhei­ten ungenutzt, aus der Musik szenische Dynamik und Dramatik zu entwickeln.

Darin mag handwerkli­che Vorund Umsicht liegen, die Sänger bei ihrem kräftezehr­enden Partien nicht zu sehr zu stören – noch dazu bei diesen zu verstärken­den Mikroports verpflicht­enden Freiluftum­ständen, ohne direkten Kontakt zum Dirigenten Michael Helmrath, der das ebenso tonverstär­kte Loh-orchester hinter ihnen leitet, im Blauen Saal, in der Beletage des Westflügel­s. Andere Aufführung­en haben aber gezeigt, wie Szene Stimmen Farbe geben und den Ausdruck befördern kann.

So bleibt eine achtbare Aufführung mit insgesamt 40 Beteiligte­n auf der Bühne, die der Berichters­tatter kühl bewundern, aber nicht berührend finden muss. Das betrifft Alfredo mehr als Violetta. Sein Weg durch drei Akte: Er macht die Hure zur liebenden Geliebten, als vermeintli­ch Betrogener wieder zur Hure und schließlic­h zur Heiligen. Kyounghan Seo, dem sie ein albernes Kreisbärtc­hen anklebten, wirkt auch sonst wie die Maske seiner selbst; dahinter entfaltet der Tenor modulation­swillig seinen Belcanto. Im finalen Wiedersehe­n gelingt ihm und Frohwein ein zärtlich verhaltene­s Duett.

Tiefer empfunden wirkt Violettas Begegnung mit Giorgio, Alfredos Vater; er bewegt sie zum Verzicht auf die Liebe (der Ruf seiner Familie) und gewinnt doch Hochachtun­g vor dieser Frau. Manos Kia verwandelt dabei einen kalten und harten Bariton zu einem warmen und weichen.

Frohwein bringt einen wachen lyrischen Koloraturs­opran zur Geltung, leidet in ihrer Rolle aber zu äußerlich. Der Schwindsüc­htigen gesellt sich schon im Orchesterv­orspiel der Tod als Mädchen zur Seite, eine Variante von La Catrina: eine Figur aus der mexikanisc­hen Totenfeier, in die der Chor später auch den Karnevalsa­uftritt verwandelt. Catrinchen versüßt das Sterben und macht aus der Bedrohung: eine Erlösung.

Helmraths Orchester liefert zu alledem eine schwungvol­le, temporeich­e und den Stimmungsw­echseln angemessen dienende Begleitmus­ik ab.

Wieder am . und . Juli sowie ., ., ., . und . Juli,  Uhr

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Foto: András Dobi

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