Thüringer Allgemeine (Eichsfeld)
Ronaldo & Ronaldina feiern in Barcelona
Ronaldo nimmt noch einen Drink. Dann singt er laut die Hymne mit. Als einziger. Die portugiesische! In Barcelona!
Ich weiß nicht, wie er wirklich heißt. Ich sehe nur den Namen auf dem Rücken seines weinroten Trikots, das mir die Sicht auf den Monitor versperrt. Wo jetzt Cristiano Ronaldo, der echte, dem Spanier Ramos die Hand reicht. In Madrid spielen sie in einer Mannschaft, heute, bei der WM, sind sie Gegner. Sie werden einander nichts schenken.
„Cristiano“, flüstert Ronaldo seiner neben ihm sitzenden, ebenfalls im portugiesischen Nationaldress steckenden Freundin zu. Es klingt wie eine Beschwörung.
Ich bewundere den Mut der beiden, die sich in der Höhle des katalanischen Löwen zu ihrem Idol bekennen. Doch die Barcelonesen, es sind fast ausschließlich Männer, winken ab. Was kann der alte Knabe gegen uns schon reißen?
Das Spiel hat gerade begonnen, da liegt Cristiano Ronaldo gefoult im gegnerischen Strafraum. Elfmeter. Er steht auf, läuft an und drischt den Ball in die Maschen. Eins-null für Portugal!
Das weinrote Pärchen ist aufgesprungen, erntet böse Blicke, doch die meisten Männer verbergen das Gesicht in den Händen. Spanien liegt nach vier Minuten hinten, doch rappelt sich auf. Beim Ausgleich jubelt die ganze Grotte. Ich kann die Zeitlupe verfolgen, denn die zwei vor mir sind zusammengesackt, Ronaldo tröstet Ronaldina, macht der Freundin Mut: Warte, wir haben Cristiano… Der trabt uninspiriert über den Platz, ist aber im rechten Moment wieder zur Stelle und macht noch vor der Halbzeit das Zwei-eins.
Ich hätte das Spiel lieber auf der Großleinwand erlebt, doch die Bürgermeisterin von Barcelona hat Public Viewing verboten. So bin ich froh, in einer Tapasbar noch ein Plätzchen ergattert zu haben, und erlebe Unfassbares:
Die Spanier kommen wie verwandelt aus der Kabine, entfesseln einen Sturmlauf und drehen das Spiel. Josés Kunststoß zum Drei-zwei versetzt die Männer vorm Monitor in Raserei. Spanische Ballstafetten werden bejubelt, die Portugiesen laufen hinterher.
Noch zwei Minuten. Weint Ronaldina? Sie wird vom Freund mit Küssen getröstet. Wie reagiert Cristiano? Immer wieder fängt die Kamera den portugiesischen Superstar ein. Er wirkt angefressen, trotzig, zu allem bereit. Drei Minuten vor Ultimo holt er einen Freistoß heraus. Gelächter, als er sich vorm Anlauf die Hosenbeine hochkrempelt und in den Himmel schaut. Totenstille, als das Leder an der Mauer vorbei ins Tor segelt. Drei-drei für Cristiano! Ronaldo und Ronaldina liegen sich vor Glück in den Armen. Spanien ist am Boden. Barcelona ertränkt seine Enttäuschung in Sangria.