Thüringer Allgemeine (Eichsfeld)

Auf den Zug gesprungen

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Russland ist groß. Schon klar. Das flächengrö­ßte Land der Welt. Auch das ist nicht wirklich neu. Wenn man aber wirklich eine Idee davon bekommen möchte, wie groß dieses Russland nun wirklich ist, der muss sich einfach nur in den Zug von Sotschi nach Rostow am Don setzen. Was bei Google Maps wie eine Strecke von Hamburg nach Berlin aussieht, sind in Wahrheit 15 Stunden quer durch die südrussisc­hen Republiken Adygeja und Krasnodar mit dem Nachtzug. Und das alles, nur um das erste Spiel der Brasiliane­r gegen die Schweiz nicht zu verpassen.

Verrückt? Von wegen! Natürlich war der Zug voll von Brasiliane­rn, deren Mannschaft ihr Teamquarti­er in Sotschi hat. Aber auch Wm-touristen aus Portugal, Spanien und sogar Chile (Eduardo), deren Team gar nicht in Russland dabei ist, sind in Sotschi pünktlich und voller Vorfreude um 00.30 Uhr auf den WM-ZUG aufgesprun­gen.

Die erste Schwierigk­eit: Das richtige Abteil im richtigen Wagen zu finden. Das Ticket (einzig und allein) in Russisch gibt da genauso wenig Hilfestell­ung wie der (einzig und allein) in Russisch sprechende Schaffner. Aber am Ende hat es dann – wie immer – irgendwie doch geklappt: Wagen 09, Liege 29.

Ich habe Glück: Außer mir ist nur noch ein ganzkörper­tätowierte­r Russe im Viererabte­il. Ein Computer-journalist aus Moskau, wie ich dank dem Google-übersetzer erfahre. Die Unterhaltu­ng läuft so: Ich tippe in mein Handy „Ich heiße Kai. Ich komme aus Deutschlan­d. Wie heißt Du?“Dann übersetzt dieses wirklich schlaue Ding mit dem passenden Namen Smartphone das Ganze ins Russische – und mein Gegenüber Wladimir („wie Putin“) tippt fleißig zurück ins Handy. So eine Art der Unterhaltu­ng mag ein wenig anstrengen­d sein, aber immerhin konnte ich so erfahren, dass meine Reise nach Rostow am Don nur ein russischer Katzenspru­ng ist. Denn Wladimir fährt weiter über Novocherka­ssik, Lihaya, Liski und Efremov bis nach Moskau. Insgesamt 39 Stunden für 1600 Kilometer im Zug.

Um Punkt 15.08 Uhr (die Deutsche Bahn darf sich gerne ein Beispiel nehmen) heißt es dann Abschied nehmen. Natürlich via Smartphone. Ich: „Gute Reise. War nett, Dich kennengele­rnt zu haben.“Er: „Finde ich auch. Und viel Spaß beim Spiel. Ich drücke Brasilien die Daumen.“

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Kai Schiller über eine besondere Reise durch Russland

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