Thüringer Allgemeine (Eichsfeld)

Franzosen hadern mit ihrer schwachen Offensivle­istung

Der Vize-europameis­ter schleppt sich zum 2:1-Auftaktsie­g gegen Australien – und hat in allen Mannschaft­steilen noch Baustellen zu bearbeiten

- Von Frank Hellmann

Kasan.

Hinterher humpelte der Anführer. Nur im Zeitlupent­empo, ganz vorsichtig auf einem Bein hinkend ging Paul Pogba nach dem Schlusspfi­ff auf seine australisc­hen Kontrahent­en zu, um vor allem Kapitän Mile Jedinak salbungsvo­lle Worte des Trostes zu übermittel­n. Mitten in der Nachspielz­eit hatte der kapriziöse Franzose noch eine furchtlose Grätsche für einen Ballgewinn angesetzt, die ihm die Blessur einbrachte – und beim mühsamen 2:1-Arbeitssie­g gegen Australien das Symbol setzte: Ganz am Ende hatte der selbst ernannte Patron der Équipe Tricolore beschlosse­n, der Auftaktpar­tie nicht völlig teilnahmsl­os beizuwohne­n.

„Es ist egal, was alle von mir denken. Heute habe ich meinen Job gemacht“, richtete der 25Jährige hinterher in einem Tonfall aus, der keinen Widerspruc­h duldete.

Dabei hatte „PP“eine Partie hingelegt, die 80 Minuten lang reichlich Wolga-wasser auf die Mühlen aller Kritiker schüttete. Der Mittelfeld­chef, bei Manchester United von José Mourinho häufiger auf die Ersatzbank verbannt, bewegte sich als Synonym französisc­her Selbstüber­schätzung über das Spielfeld, eher er sich doch noch zu einem dynamische­n Vorstoß aufraffte, der in der 81. Minute prompt in den Siegtreffe­r mündete. Ein Heber, der kurz hinter der Linie aufsprang. Wenigstens einmal Maßarbeit.

„Wir waren nicht schnell genug. Es hat zu lange gedauert, bis wir nach vorne gekommen sind“, kritisiert­e Didier Deschamps, der darüber rätselte, ob der „Ball immer am Rasen geklebt hat oder wir es aus anderen Gründen nicht hinbekomme­n haben?“In seinem 4-3-3-System erwies sich das Mittelfeld mit N’golo Kanté, Corentin Tolisso und eben Pogba als uninspirie­rtes Gebilde, weil es kaum spielerisc­he Lösungen fand, den Angriff mit Ousmané Dembélé, Kylian Mbappé oder Antoine Griezmann wirkungsvo­ll in Szene zu setzen, wobei letzterer den Videobewei­s und einen Elfmeter für ein Erfolgserl­ebnis brauchte (58.). Ansonsten führten die zwei Mannschaft­steile ein merkwürdig­es Eigenleben.

„Unsere Offensive war nicht so gut, wie sie sein könnte. Die drei haben nicht viel zusammenge­spielt“, bemängelte Deschamps. Ohne Tempo, ohne Tiefe. Der 49-Jährige schien vom Stottersta­rt selbst erschreckt: „Es war kein Fluss in unserem Spiel.“Es genügte ein physisch starker Gegner, um seine im Schnitt 24,5 Jahre junge Garde ins Leere laufen zu lassen. Gegenüber Bert van Marwijk befand: „Sie wussten nicht mehr, was zu tun ist.“

Das mit dem höchsten Marktwert des Turniers versehene Ensemble spielte über weite Strecken zu behäbig. „Es war sehr komplizier­t. Manchmal sollte man nicht zu hart mit uns sein“, bat Pogba, doch es hätte vor allem Nebenmann Tolisso härter treffen. Australien­s Trainer van Marwijk stellte in der Mixed Zone gegenüber niederländ­ischen Landsleute sogar den Tritt nach, mit dem dieser den eingewechs­elten Tomi Juric bei einem Konter stoppte (76.). Seine Ansicht: „Das war eine Rote Karte.“Kollege Deschamps winkte den Bayern-profi nur zwei Minuten später vom Feld. Zuvor hatte schon der Ex-dortmunder Dembélé aus Leistungsg­ründen um seine Auswechslu­ng gebettelt. Es deutet sich an, dass Blaise Matuidi und Olivier Giroud ihre Plätze erhalten.

Immerhin hat Trainer Deschamps für das zweite Gruppenspi­el am Donnerstag in Jekaterinb­urg gegen Peru versproche­n: „Wir können und werden besser spielen.“

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Der Franzose Paul Pogba (l.) im Zweikampf mit dem Australier Tom Rogi. Foto: Getty Images
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Mladen Krstajic (links) gratuliert Aleksandar Kolarov. Foto: rtr

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