Thüringer Allgemeine (Eichsfeld)
Franzosen hadern mit ihrer schwachen Offensivleistung
Der Vize-europameister schleppt sich zum 2:1-Auftaktsieg gegen Australien – und hat in allen Mannschaftsteilen noch Baustellen zu bearbeiten
Kasan.
Hinterher humpelte der Anführer. Nur im Zeitlupentempo, ganz vorsichtig auf einem Bein hinkend ging Paul Pogba nach dem Schlusspfiff auf seine australischen Kontrahenten zu, um vor allem Kapitän Mile Jedinak salbungsvolle Worte des Trostes zu übermitteln. Mitten in der Nachspielzeit hatte der kapriziöse Franzose noch eine furchtlose Grätsche für einen Ballgewinn angesetzt, die ihm die Blessur einbrachte – und beim mühsamen 2:1-Arbeitssieg gegen Australien das Symbol setzte: Ganz am Ende hatte der selbst ernannte Patron der Équipe Tricolore beschlossen, der Auftaktpartie nicht völlig teilnahmslos beizuwohnen.
„Es ist egal, was alle von mir denken. Heute habe ich meinen Job gemacht“, richtete der 25Jährige hinterher in einem Tonfall aus, der keinen Widerspruch duldete.
Dabei hatte „PP“eine Partie hingelegt, die 80 Minuten lang reichlich Wolga-wasser auf die Mühlen aller Kritiker schüttete. Der Mittelfeldchef, bei Manchester United von José Mourinho häufiger auf die Ersatzbank verbannt, bewegte sich als Synonym französischer Selbstüberschätzung über das Spielfeld, eher er sich doch noch zu einem dynamischen Vorstoß aufraffte, der in der 81. Minute prompt in den Siegtreffer mündete. Ein Heber, der kurz hinter der Linie aufsprang. Wenigstens einmal Maßarbeit.
„Wir waren nicht schnell genug. Es hat zu lange gedauert, bis wir nach vorne gekommen sind“, kritisierte Didier Deschamps, der darüber rätselte, ob der „Ball immer am Rasen geklebt hat oder wir es aus anderen Gründen nicht hinbekommen haben?“In seinem 4-3-3-System erwies sich das Mittelfeld mit N’golo Kanté, Corentin Tolisso und eben Pogba als uninspiriertes Gebilde, weil es kaum spielerische Lösungen fand, den Angriff mit Ousmané Dembélé, Kylian Mbappé oder Antoine Griezmann wirkungsvoll in Szene zu setzen, wobei letzterer den Videobeweis und einen Elfmeter für ein Erfolgserlebnis brauchte (58.). Ansonsten führten die zwei Mannschaftsteile ein merkwürdiges Eigenleben.
„Unsere Offensive war nicht so gut, wie sie sein könnte. Die drei haben nicht viel zusammengespielt“, bemängelte Deschamps. Ohne Tempo, ohne Tiefe. Der 49-Jährige schien vom Stotterstart selbst erschreckt: „Es war kein Fluss in unserem Spiel.“Es genügte ein physisch starker Gegner, um seine im Schnitt 24,5 Jahre junge Garde ins Leere laufen zu lassen. Gegenüber Bert van Marwijk befand: „Sie wussten nicht mehr, was zu tun ist.“
Das mit dem höchsten Marktwert des Turniers versehene Ensemble spielte über weite Strecken zu behäbig. „Es war sehr kompliziert. Manchmal sollte man nicht zu hart mit uns sein“, bat Pogba, doch es hätte vor allem Nebenmann Tolisso härter treffen. Australiens Trainer van Marwijk stellte in der Mixed Zone gegenüber niederländischen Landsleute sogar den Tritt nach, mit dem dieser den eingewechselten Tomi Juric bei einem Konter stoppte (76.). Seine Ansicht: „Das war eine Rote Karte.“Kollege Deschamps winkte den Bayern-profi nur zwei Minuten später vom Feld. Zuvor hatte schon der Ex-dortmunder Dembélé aus Leistungsgründen um seine Auswechslung gebettelt. Es deutet sich an, dass Blaise Matuidi und Olivier Giroud ihre Plätze erhalten.
Immerhin hat Trainer Deschamps für das zweite Gruppenspiel am Donnerstag in Jekaterinburg gegen Peru versprochen: „Wir können und werden besser spielen.“