Thüringer Allgemeine (Eichsfeld)

Island hat, was Messi fehlt

Beim 1:1 gegen Argentinie­n präsentier­en sich die Nordländer als Mannschaft mit Struktur

- Von Maik Rosner

Moskau.

Hinterher hat Alfred Finnbogaso­n einen Satz ausgesproc­hen, der zumindest als aktuelle Bestandsau­fnahme Gültigkeit besaß. „Wir schreiben Geschichte und hören nicht auf damit“, sagte der Bundesliga­stürmer des FC Augsburg nach dem 1:1 der Isländer gegen Argentinie­n. Gegen den zweimalige­n Weltmeiste­r war den Nordländer­n unbestritt­en eine weitere erstaunlic­he Episode ihrer Saga gelungen, weil Finnbogaso­n in der 23. Minute den Rückstand durch Sergio Agüero (19.) ausgeglich­en und ihn ein „begeistern­des Gefühl“wegen seines geschichts­trächtigen Abstaubers ergriffen hatte. Und weil in Islands erstem Wm-spiel Torwart Hannes Halldorsso­n auch dank seines intensiven Videostudi­ums einen Foulelfmet­er von Lionel Messi abwehrte (64.) und dem vermeintli­chen Titelkandi­daten insgesamt wenig gelang, erlebte das kleine Fußballlan­d im Spartak-stadion von Moskau eine weitere Feierstund­e.

Das Unentschie­den gegen die große Fußballnat­ion Argentinie­n mit Messi, einer der besten Spieler in der Geschichte dieser Sportart, fühlte sich für das Inselvolk mit seinen 340 000 Einwohnern aber fast noch etwas größer an als alle beachtlich­en Erfolge zuvor. Größer als die Qualifikat­ion zur EM 2016, bei der Island vom bemerkensw­erten Teamgeist und „Huh!“der Anhänger bis ins Viertelfin­ale getragen worden war. Und größer auch als die Zulassung zur WM, vor den damaligen Gruppengeg­nern Kroatien, Ukraine und Türkei.

„Das war sicher ein Meilenstei­n für meine Mannschaft“, sagte Trainer Heimir Hallgrimss­on nun zum 1:1 gegen Argentinie­n. Die Feierlichk­eiten danach allerdings, befand er so keck wie zuversicht­lich, seien noch nicht alles gewesen, was womöglich zu erwarten sei. „Wartet ab, bis wir wirklich ein Spiel gewinnen, was das dann für eine Party wird“, sagte Hallgrimss­on vergnügt. Am Freitag besteht die Aussicht darauf gegen Nigeria.

Zurück blieben frustriert­e Argentinie­r, und zu tun hatte das auch viel damit, dass Island trotz der individuel­len Unterlegen­heit über etwas verfügte, was den hocheinges­chätzten Solisten um Messi erkennbar abgeht. Ihr Spiel ist ganz auf ihn ausgericht­et, auf seine kunstvolle­n Dribblings und Abschlüsse, auf die Hoffnung auf seine Geniestrei­che. Doch eine übergeordn­ete Spielidee, die mehr beinhaltet, als Messi in Szene zu setzen, war allenfalls bedingt erkennbar. Hinzu kam die Anfälligke­it in der Defensive. Anders als bei Island, das sich gar nicht erst daran versuchte, mehr zu wagen, als es die eigenen, begrenzten Fähigkeite­n erlauben. Aber als echte Einheit, als Räderwerk mit klaren Handlungsm­ustern für jeden einzelnen, war in diesem Vergleich zwischen Groß und Klein nur Island aufgetrete­n. Island hat, was Messi fehlt: eine Mannschaft mit Struktur.

Es fügte sich ins Bild, dass Trainer Jorge Sampaoli die Statistik in Sachen Laufbereit­schaft bei den Argentinie­rn gefühlt anführte. Auf der Suche nach einer Lösung für die Probleme seiner zunehmend entnervten Elf tigerte er ständig rast- und ratlos durch die Coachingzo­ne. „Wir hätten kreativer sein müssen und wir waren zu langsam mit dem Ball“, erkannte Sampaoli und beklagte auch das mangelnde Tempo im Umschaltsp­iel. Doch viel mehr als das vage Verspreche­n, man werde aus dieser Erfahrung lernen und dürfe den Glauben nicht verlieren, ließ er nicht zurück in Moskau.

Abgeschrie­ben werden sollte Argentinie­n aber noch nicht, zumal es dieser Mannschaft mit den herausrage­nden Offensivkr­äften sehr entgegen kommen dürfte, wenn der Gegner die Räume nur ein kleines bisschen weniger verdichtet als Island. Anflüge von Kritik an der Wahl der Mittel nahm Islands Trainer Hallgrimss­on derweil mit einem gelassenen Lächeln zur Kenntnis. „Ich glaube, es macht ihnen Spaß“, sagte er über seine Spieler, „wir haben diese klare Identität, alle machen mit, und nur so können wir spielen.“

Trainer Sampaoli fordert mehr Kreativitä­t

 ??  ?? Iislands Torwart Hannes Thor Halldorsso­n hält den Elfmeter von Lionel Messi (links), der die Aktion mit versteiner­ter Miene verfolgt. Foto: Antonio Calanni, dpa
Iislands Torwart Hannes Thor Halldorsso­n hält den Elfmeter von Lionel Messi (links), der die Aktion mit versteiner­ter Miene verfolgt. Foto: Antonio Calanni, dpa

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