Thüringer Allgemeine (Eichsfeld)

Kampf um die letzten Bistros

Jedes Jahr machen in Frankreich Hunderte von traditione­llen Läden dicht. Jetzt sollen sie Weltkultur­erbe werden

- Von Peter Heusch

Paris.

Genuss und Geselligke­it, dafür steht ein typisches Bistro. „Das hier ist so etwas wie mein zweites Zuhause“, meint Martin, der am langen Tresen seines Pariser Stammlokal­s lehnt, wo er gerade einen Café Crème getrunken und einen Blick auf die ausliegend­en Tageszeitu­ngen geworfen hat. Ein Ritual, dem der Optiker an jedem Werktag huldigt, bevor er sein Brillenges­chäft nebenan öffnet.

In der Mittagspau­se wird Martin wieder da sein, „weil die Küche hier zwar einfach, aber gut und preiswert ist“. „Mein soziales Leben sind die Familie, der Freundeskr­eis und dieses Bistro.“Damit meint er das „Le Grand Comptoir“am Fuße von Montmartre, ist mittags und ab dem späteren Nachmittag stets rappelvoll.

Das Bistro läuft sehr gut – im Gegensatz zu vielen anderen in Paris oder in der Provinz, die in den letzten Jahren geschlosse­n haben. Ein Trend, der längst beängstige­nde Ausmaße ausnimmt: Zählte man vor einem halben Jahrhunder­t gut 200 000 Bistros in Frankreich, so sind es heute nur noch 28 000. Jahr für Jahr werfen mindestens weitere 500 Bistrobesi­tzer das Handtuch. Steigende Immobilien­preise und das strenge, im Januar 2008 eingeführt­e Rauchverbo­t in Restaurant­s und Cafés bescheren den Bistros kontinuier­lich Umsatzeinb­ußen von bis zu 30 Prozent.

Der nationale Gaststätte­nverband Synhorcat spricht angesichts dieses offenbar unaufhalts­amen Niedergang­s sogar von einer „existentie­llen Krise“. Eine Gruppe von Gastronome­n und Tv-schauspiel­ern hat daher nun beantragt, zumindest die Pariser Bistros als Institutio­n in die Unesco-liste der Weltkultur­güter aufzunehme­n. Ihre Begründung: Die zumeist kleinen Lokale müssten geschützt werden, weil sie familiäre Orte seien und für eine echte Volkskultu­r stünden. Als Beweis hierfür führt die Gruppe unter anderem die Reaktion der Pariser an, welche nach den islamistis­chen Terroransc­hlägen vom November 2015 auf die Terrassen der Cafés und Bistros strömten und sie zu einem „Symbol der Lebensart und der Freiheit“gemacht hätten.

Doch das eigentlich­e Problem ist ein anderes: Bistros kommen aus der Mode. Meist sind es nur noch die älteren Semester, die für den Umsatz sorgen. Aber für die jüngeren Generation­en gilt das nicht mehr. Sie treffen sich bei Starbucks oder in Bars, die Cocktails und drahtloses Internet bieten.

Nicht die Traditions­pflege, sondern eine „überlebens­notwendige Anpassung und Modernisie­rung“sei also das Gebot der Stunde, heißt es deswegen bei Synhorcat. Die Bistros müssten dem Zeitgeist folgen und dazu gehöre eine Änderung der Karte, des Dekors. Fragt sich nur, ob ein auf edel gequältes Bistro noch als ein solches durchgehen kann. Zweifel mögen da erlaubt sein.

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Foto: Getty Das berühmte Café „Les Deux Magots“in Paris.

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