Thüringer Allgemeine (Eichsfeld)
Ein Umzug nach Hause
Christoph Haupt übernimmt das Atelier von Werner Löwe in altem Rathaus Heiligenstadt und will der Stadt auch etwas zurückgeben
Heiligenstadt.
Die Hände in die Hüften gestemmt, steht Christoph Haupt in seinem neuen Atelier und lässt den Blick schweifen. „Ist noch ein bisschen chaotisch hier“, entschuldigt er sich. Kein Wunder, denn der junge Künstler hat erst vor einer Woche damit begonnen, einige Habseligkeiten und Arbeiten in seine neue Wirkungsstätte zu bringen.
Das Atelier im Alten Rathaus hat er von Werner Löwe übernommen, der es zuvor 16 Jahre lang mit Leben füllte, seine bildhauerische Tätigkeit nun aber hinten anstellen und sich anderen Projekten widmen will.
Die halb volle Kaffeetasse gibt noch Wärme ab und vervollständigt das Sammelsurium aus Werkzeug, Spanngurten, Klebeband, Kameras, einer Mundharmonika, Rollfilmen und Handschuhen, die verstreut in ganzen Atelier liegen.
Christoph Haupt weiß, wie froh sein Vorgänger ist, dass es in den Räumlichkeiten künstlerisch weitergeht und dass dort zum Beispiel keine Büroräume entstehen. Und er selbst ist froh darüber, diese Möglichkeit bekommen zu haben. Denn gut acht Monate suchte Christoph Haupt nach einer Leerfläche in der Stadt. Als er dann vom Chef der Heiligenstädter Tourist-information, Rüdiger Eckart, hörte, dass Werner Löwe ausziehen will, konnte er sein Glück kaum fassen. „Der Bürgermeister war ganz positiv und wollte mich hier behalten“, sagt er.
Nun bringe er nach und nach seine Arbeiten aus verschiedenen Ausstellungen, aus dem Elternhaus in Großwelsbach bei Bad Langensalza und aus Weimar in das neue Atelier. In Weimar studiert der 29-Jährige an der Bauhaus-universität momentan noch Freie Kunst. Bei der Jahresschau der Universität im Juli ist er mit drei Arbeiten dabei und will, wenn alles nach Plan läuft, im kommenden Jahr dort abschließen. Dann reiche es auch mit der Ausbildung, sagt er und lacht. Denn Christoph Haupt ist auch Holzbildhauermeister.
Im Atelier plant er einen kleinen Umbau, damit auch die „Bühne“genutzt werden kann. Denn Christoph Haupt hat vor, das Atelier recht offen zu gestalten. Das bedeutet, dass regelmäßig Lesungen oder Musikabendende „oder was anderes Irres“in den Räumlichkeiten passieren sollen. Wie oft genau, das kann er noch nicht sagen. Klar ist aber: „Ich bin so dankbar, diese Plattform hier geboten bekommen zu haben, ich will der Stadt und den Menschen auch etwas zurückgeben.“
Momentan beschäftigt sich Christoph Haupt mit Themen wie Identität, Zuhause und Verlust. Irgendwie passend dazu steht das Zelt aus Paketklebeband mitten im Atelier – ein aktuelles Projekt.
Geplant ist die Eröffnung für August. Den 18. hat er angepeilt. Den offiziellen Start will er auch mit einer Ausstellung begehen. Und dafür sind die drei Räume des Ateliers wie gemacht. „Hier kann ich auch zeigen, wie breit ich aufgestellt bin.“Die Regentrude sei eine sehr handwerkliche Arbeit gewesen. Er wolle der Stadt aber auch seine anderen Seiten zeigen, macht er deutlich.
Während sich draußen das Mühlrad rhythmisch dreht und das gleichmäßige Klacken fast schon eine beruhigende Stimmung erzeugt, geht Christoph Haupt die zwei Stufen zu den anderen Räumen des Ateliers hinunter und beschreibt, was er sich so alles vorstellen könnte: Bewegte Bilder, Lichtinstallationen, Performance-kunst sind dabei nur einige. Die dicken Mauern mag der Künstler und schwärmt weiter von den vielen Möglichkeiten, die ihm sein neues Atelier bietet. Vorteilhaft ist die Größe des Ateliers auch, weil Christoph Haupt, wenn die Nächte lang werden, sich dort einfach schlafen legen kann. „Ich habe mir dafür extra ein Bett gebaut.“Denn das Pendeln von Weimar und zurück sei zum Teil sehr anstrengend. Aber den Diskurs dort mit anderen Studierenden genieße er, brauche er auch.
Trotzdem sei ihm mit der Möglichkeit, sich in Heiligenstadt niederzulassen, auch ein großer Stein vom Herzen gefallen. „Es ist das beste, was mir in meiner Situation passieren konnte“, sagt er. „Ich bin jetzt irgendwie auch angekommen und auch wenn das kitschig klingt: Heiligenstadt hat sich zu einem Stück Zuhause entwickelt. Nicht Heimat, aber Zuhause.“
Das ist nicht verwunderlich, bedenkt man, dass Christoph Haupt in seinen jungen Jahren schon elfmal umziehen musste. In Heiligenstadt und der Umgebung habe er einige Leute kennengelernt, mit denen er lange in Kontakt geblieben ist und sie nicht so schnell wie manch andere aus den Augen verloren hat. „Und das zeigt mir, dass ich hier richtig bin.“
In den Räumen des Ateliers spürt Christoph Haupt noch „den Geist und die Geschichte von Werner Löwe“. Einige Stützen und eine Staffelei hat der Bildhauer seinem Nachfolger überlassen. Der Gips klebt zum Teil noch daran. „Mit der selben Intension wie Werner weiter zu machen – das ist schön irgendwie.“Werner Löwe habe auch versprochen, ihn zu besuchen. Und das können bald auch viele andere interessierte Heiligenstädter tun.