Thüringer Allgemeine (Eichsfeld)
Horst Seehofer stellt sich hinter Verfassungsschutz-chef
Maaßen erklärt umstrittene Äußerungen zu Chemnitz im Parlament. Neue Erkenntnisse im Fall Amri erhöhen Druck auf Geheimdienst
Berlin.
Er sehe keinen Grund für einen Rücktritt. Er halte Hans-georg Maaßen für den Richtigen. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) ließ nach mehr als zwei Stunden Sondersitzung im Innenausschuss des Bundestags keinen Zweifel: Der Chef des Verfassungsschutzes bleibt im Amt – trotz der umstrittenen Äußerungen zu einem Video, das Gewalt von Rechtsextremisten in Chemnitz zeigt.
Maaßen habe in der Sitzung seine Sicht der Dinge differenziert und umfassend dargestellt, sagte Seehofer. Zudem habe Maaßen sein Bedauern zum Ausdruck gebracht, dass manches in der Öffentlichkeit anders aufgefasst worden sei als von ihm beabsichtigt. „Ich begrüße dieses Bedauern“, sagte Seehofer. Die Abgeordneten von Union und AFD sollen nach Informationen unserer Redaktion die Erklärung des Geheimdienstchefs sogar mit Tischklopfen begrüßt haben. Maaßen selbst gab nach der Sitzung kein Statement ab.
Die SPD übt deutliche Kritik. „Wir sind zu dem Ergebnis gekommen, dass wir starke Zweifel daran haben, ob er der Richtige an dieser Stelle ist“, sagte Spd-fraktionsvize Eva Högl. Auch Grüne und Linke erklärten, Maaßen sei nicht mehr tragbar. Fdp-innenpolitiker Konstantin Kuhle sagte: „Herr Maaßen lebt in seiner eigenen Welt.“
Am Abend der rechtsextremen Ausschreitungen in Chemnitz, nachdem ein Mann mutmaßlich durch Flüchtlinge getötet worden war, stellte eine offenbar linke Gruppe ein Video auf Twitter, das zeigt, wie Männer auf ausländisch aussehende Menschen losgehen. Zudem berichteten Augenzeugen von weiteren Übergriffen durch Neonazis. Maaßen hatte der „Bild“gesagt, seiner Behörde lägen keine belastbaren Informationen für Hetzjagden vor. Und auch nicht dafür, dass das Video authentisch sei. Maaßen habe vor „Falschinformationen“über eine „Hetzjagd“warnen wollen. Der Linke-politiker Andre Hahn monierte, es bleibe der Eindruck, dass Maaßen die Vorfälle bagatellisieren wollte. Schon am Nachmittag hatte sich Maaßen im geheim tagenden Parlamentarischen Kontrollgremium rechtfertigen müssen.
Maaßen steht seit Wochen im Fokus: Zunächst aufgrund von umstrittener Treffen mit Politikern der AFD, darunter Frauke Petry und Alexander Gauland. Zudem bleibt weiter unklar, welche Rolle das Bundesamt für Verfassungsschutz bei den Maßnahmen gegen den späteren Berlin-attentäter Amri spielte. Bisher wies das Amt eigene Erkenntnisse über Amri von sich, hatte die Ermittlungen als Polizeifall dargestellt. Recherchen der Berliner Morgenpost, des Ard-magazins „Kontraste“und des Rundfunk Berlin-brandenburg (RBB) zeigen nun: Der Nachrichtendienst veranlasste operative Maßnahmen im Fall Amri. Behördeninterne Dokumente zeigen: Das Bundesamt wertete bereits im Februar 2016 Fotos eines Handys aus, das die Berliner Polizei bei einer Kontrolle am Zentralen Omnibusbahnhof von Amri beschlagnahmt hatte. Welche Erkenntnisse der Dienst dabei gewinnen konnte, bleibt unklar. (rtr/cu)