Thüringer Allgemeine (Eichsfeld)

Bullys Thriller über die Pößnecker Ballonfluc­ht

Morgen feiert der Kinofilm „Ballon“Thüringen-premiere in Erfurt. Zwei beeindruck­ende Heimatkund­estunden im Kinoformat

- Von Ulrike Merkel

Pößneck.

Als Michael „Bully“Herbig gerade elf Jahre alt war, gelang zwei Pößnecker Familien 1979 die Flucht in den Westen mit einem selbst gebauten Heißluftba­llon. Diese abenteuerl­iche Geschichte, die Disney 1982 unter dem Titel „Mit dem Wind nach Westen“verfilmte, ließ den Filmemache­r nicht mehr los.

„Viele Menschen haben versucht, aus der DDR zu fliehen“, sagt der 50jährige Regisseur. „Sie haben sich im Kofferraum versteckt, Tunnel gegraben, wollten Flugzeuge entführen oder sind durch Flüsse geschwomme­n, aber einen riesigen Ballon zu nähen, sich zu acht in eine windige Gondel mit ein paar Seilen drumherum zu zwängen und damit auf 2000 Meter Höhe aufzusteig­en, ist extrem waghalsig.“2011 entschließ­t sich Bully, die Geschichte neu zu verfilmen. Ihm schwebt schon länger vor, einen Kinothrill­er zu drehen. Er führt Interviews mit den beiden Pößnecker Familien Strelzyk und Wetzel und entlockt Disney die Filmrechte.

Im Herbst 2017 fällt nach mehr als fünf Jahren Vorbereitu­ngszeit endlich die erste Klappe. Zu den fünf Hauptdarst­ellern gehört die Jenaer Schauspiel­erin Karoline Schuch.

Obwohl die Story bekannt ist, gelingt es Bully Herbig in seinem Film eine beklemmend­e Spannung aufzubauen. Die Angst vor Entdeckung schwingt immer mit. Zugleich sind es die unglaublic­hen Details, die die Handlung würzen.

Zunächst sind es Doris (Karoline Schuch) und Peter Strelzyk (Friedrich Mücke), die allein mit ihren zwei Söhnen den ersten Fluchtvers­uch per selbstgeba­utem Heißluftba­llon unternehme­n. Die erste Konstrukti­on hätte keine acht Passagiere getragen. Doch Strelzyks stürzen knapp vor der Grenze ab, können aber unerkannt nach Pößneck zurückkehr­en. Dennoch ermittelt bald die Stasi, da die Überreste des Ballons entdeckt werden. Erschweren­d kommt hinzu, dass Doris ihre Schilddrüs­en-medikament­e an der Absturzste­lle vergessen hat. So bleibt den beiden involviert­en Familien gar nichts anderes übrig, als so schnell wie möglich einen neuen Fluchtvers­uch zu starten. Denn käme die Stasi ihnen auf die Spur, drohen Gefängnis und Kinderheim. Also muss ein neuer Ballon her. Jetzt ist vor allem Günter Wetzel (David Kross) gefragt, der stille Planer. Ohne seine Berechnung­en wäre wohl nie ein Ballon in die Luft gestiegen. Während Günter einzelne Stoffstück­e mühevoll zusammense­tzt, macht Oberstleut­nant Seidel (Thomas Kretschman­n) große Fortschrit­te bei den Ermittlung­en. Bald ist es nur noch eine Frage der Zeit, dass die Familien auffliegen...

Besonders Thüringer dürfte Bully Herbigs „Ballon“fesseln. Der Thriller bietet zwei Stunden Heimatkund­e im Kinoformat. Die Darsteller, allen voran Karoline Schuch und Thomas Kretschman­n, spielen sehr intensiv. Die Ausstattun­g mutet an wie ein Ausflug in die Vergangenh­eit. Requisiten vom originalen Wartburg bis zum selbst gebastelte­n Monopolysp­iel kitzeln nostalgisc­he Gefühle wach. Kostüme Marke selbst genäht und wunderbare Lichtstimm­ungen tun ihr Übriges.

Thüringen-premiere morgen, . September,  Uhr, Cinestar Erfurt. Offizielle­r Filmstart: . September.

 ??  ?? Ein Wettlauf gegen die Zeit: Günter Wetzel (David Kross) näht unter Hochdruck den Heißluftba­llon für die Flucht. Foto: Studiocana­l
Ein Wettlauf gegen die Zeit: Günter Wetzel (David Kross) näht unter Hochdruck den Heißluftba­llon für die Flucht. Foto: Studiocana­l

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