Thüringer Allgemeine (Eichsfeld)
Bergbautradition endgültig beendet
Fördergerüst und Turm sind abgebaut, nun ist auch der Schacht 2 im Kaliwerk Bischofferode geschlossen. Ministerpräsident reist an
Mandy Kuhlee (40), Nageldesignerin aus Arenshausen:
Ich habe mich im Jahr 2005 selbstständig gemacht und arbeite als Nageldesignerin zu Hause. Mein Hobby sind Katzen. Ich züchte Britisch Kurzhaar. Zur Zeit habe ich 10 Katzen. Sechs für die Zucht und vier Kastraten. Der Älteste ist schon 16 Jahre alt. Meine zwei Kinder, Lennox und Yara, kuscheln immer gleich, wenn sie aus der Schule kommen mit den Tieren. Mein Tag ist gut ausgefüllt. Foto: Eckhard Jüngel
Bischofferode.
Ihm stehen die Tränen in den Augen. Er schluckt. Der ehemalige Bergwerkchef Günter Henkel schaut auf die brach liegende Fläche. Das Fördergerüst ist abgebaut, und auch der Schacht 2 ist nun geschlossen. Und damit sind auch die letzten sichtbaren Zeichen der Bergbautradition im Eichsfeld, die sich über 100 Jahre erstreckt, verschwunden.
Denn die Schließung des Schachtes 2 stellt den Abschluss der Verwahrungsarbeiten für die Grube Bischofferode dar. „Es ist wie eine Beerdigung“, sagt Günter Henkel, der immer wieder zu Boden schaut. Er kann es nicht fassen. Dabei wird bereits 1992 der Beschluss gefasst, das Kaliwerk in Bischofferode zu schließen.
Besonders schlimm sei es Anfang 1994 gewesen, meint der ehemalige Bergwerkchef. Die Kumpel fahren jeden Tag in den Schacht und arbeiten. Allerdings bereiten sie nun die Schließung des Werkes vor. „Mit jeder abgeschlossenen Maßnahme haben wir einen Nagel in den Sarg geschlagen, den wir nun heruntergelassen haben“, steht Günter Henkel zu seinen Gefühlen und Emotionen. Für diesen historischen Moment reist auch Ministerpräsident Bode Ramelow (Linke) aus Erfurt an. Auch für ihn ist es „ein schlimmer Tag“. Über 25 Jahre sei es her, dass er im Kaliwerk in Bischofferode eine schlimme Zeit erlebt und durchlebt hat. Es ist „eine Auseinandersetzung zwischen Ost und West gewesen, die auf wirtschaftlicher und emotionaler Ebene geführt wurde.“Die Emotionalität versteht der Ministerpräsident bis heute. In der DDR hätten die Bürger für „Freiheit gekämpft“und dann wird eine solche Entscheidung „kaltschnäuzig, über die Köpfe der Menschen hinweg getroffen.“ Er meint, er erinnert sich noch genau, als der Förderturm vor einigen Monaten abgerissen wurde. Es sei ein „schlimmer Tag“gewesen. Selbst wollte der Ministerpräsident nicht vor Ort sein, er hätte es nicht über das Herz gebracht. Dennoch habe genau dieser Tag auch etwas Positives gehabt: in Sondershausen ist ein neuer Förderturm aufgebaut wurden.
Seinen Respekt zollt Bodo Ramelow den Arbeitern, die in Bischofferode unter Tage jahrelang ihr täglich’ Brot verdient haben. In dem Zusammenhang geht er darauf ein, dass der Bergbau aktuell sei. Dass jetzt die richtige Zeit sei, über den Bergbau und die Rohstoffgewinnung zu sprechen. Deshalb werde auch momentan der nächste Kali-gipfel in Sondershausen vorbereitet. „Aktuell arbeiten in Thüringen etwa 4500 Bergleute unter Tage“, sagt Bodo Ramelow. Er ging in seiner Ansprache noch auf die Lausitzer und Mitteldeutsche Bergbau-verwaltungsgesellschaft mbh (LMBV) ein. Denn sie geben „wichtige Impulse“, arbeiten an einer „perspektivischen Zukunft“und „sind in keinem Fall bittere Totengräber.“
Klaus Zschiedrich, Vorsitzender der Geschäftsführung der LMBV, geht in seiner Begrüßung der Gäste auf den ehemaligen Förderturm ein und die Fläche, die sich unter Tage befindet – er spricht von „54 Quadratkilometern, das ist mehr als die Stadtfläche von Leipzig und dem Umland.“In wenigen Worten blickt der Vorsitzende in die Zukunft. Denn für die Bergbausanierer der LMBV verbleiben in Bischofferode die langfristigen Aufgaben der Kontrolle, Nachsorge und des Monitorings der sich nun in den kommenden Jahrzehnten selbstständig flutenden Grube. „Der offene Grubenhohlraum ist mit Luft ausgefüllt und umfasst 22 Millionen Kubikmeter“, meint Klaus Zschiedrich. Unterirdisch, sagt er, hätten sie eine richtig Stadt. Diese Verwahrung hat 25 Jahre Vorbereitungszeit in Anspruch genommen und ist seit einigen Tagen mit der Fertigstellung der beiden Schachtverschlüsse auf dem ehemaligen Werksgelände beendet.
Vorbereitung für Kaligipfel laufen schon
40 Jahre im Kaliwerk in Bischofferode gearbeitet
Hubert Prühl, Leiter Zentrales Grubenwassermanagement, erinnert an die Stilllegung 1993. Er spricht von einem „Einschnitt für die Region.“Mit 227 Mitarbeitern hätten sie Anfang der 90er Jahre angefangen, mittlerweile sind es nur noch elf. Er geht in seiner Ansprache detailliert auf die umfangreichen Arbeiten ein, die über die letzten Jahre im Kaliwerk geleistet wurden. Hubert Prühl erinnert die Gäste aus Wirtschaft und Politik sowie die Vereinsmitglieder an die letzte Einfahrt im vergangenen Jahr. „Danach wurde es ‚schwarz gestellt‘.“Er wählt bewusst die Begrifflichkeit der Kumpel. Es ist ein emotionaler Tag für ihn und die Kumpel, die dort jahrelang gearbeitet haben. In dem Zusammenhang erzählt Hubert Prühl, dass er sich noch genau an seine erste Fahrt erinnern kann, wie aufgeregt und voller Freude er war. Am Morgen, auf der Fahrt nach unten, und am Abend, auf der Fahrt wieder rauf, sei er jeweils stecken geblieben. Für ihn sei klar gewesen, dass er den Job nicht lange macht. „Und es sind 40 Jahre geworden“, sagt Hubert Prühl nicht ohne Stolz.
Auf dem zweiten zugemauerten Schacht findet sich eine Tafel, die an Schacht 2 und das Kaliwerk in Bischofferode erinnert. Ganz in schwarz stehen die Kumpel, Verantwortlichen und Vertreter aus Wirtschaft und Politik davor. Musikalisch umrahmt wird der sehr emotionale Moment von dem Bleicheröder Bergmanns Blasorchester.