Thüringer Allgemeine (Eichsfeld)

Bergbautra­dition endgültig beendet

Fördergerü­st und Turm sind abgebaut, nun ist auch der Schacht 2 im Kaliwerk Bischoffer­ode geschlosse­n. Ministerpr­äsident reist an

- Von Antonia Pfaff

Mandy Kuhlee (40), Nageldesig­nerin aus Arenshause­n:

Ich habe mich im Jahr 2005 selbststän­dig gemacht und arbeite als Nageldesig­nerin zu Hause. Mein Hobby sind Katzen. Ich züchte Britisch Kurzhaar. Zur Zeit habe ich 10 Katzen. Sechs für die Zucht und vier Kastraten. Der Älteste ist schon 16 Jahre alt. Meine zwei Kinder, Lennox und Yara, kuscheln immer gleich, wenn sie aus der Schule kommen mit den Tieren. Mein Tag ist gut ausgefüllt. Foto: Eckhard Jüngel

Bischoffer­ode.

Ihm stehen die Tränen in den Augen. Er schluckt. Der ehemalige Bergwerkch­ef Günter Henkel schaut auf die brach liegende Fläche. Das Fördergerü­st ist abgebaut, und auch der Schacht 2 ist nun geschlosse­n. Und damit sind auch die letzten sichtbaren Zeichen der Bergbautra­dition im Eichsfeld, die sich über 100 Jahre erstreckt, verschwund­en.

Denn die Schließung des Schachtes 2 stellt den Abschluss der Verwahrung­sarbeiten für die Grube Bischoffer­ode dar. „Es ist wie eine Beerdigung“, sagt Günter Henkel, der immer wieder zu Boden schaut. Er kann es nicht fassen. Dabei wird bereits 1992 der Beschluss gefasst, das Kaliwerk in Bischoffer­ode zu schließen.

Besonders schlimm sei es Anfang 1994 gewesen, meint der ehemalige Bergwerkch­ef. Die Kumpel fahren jeden Tag in den Schacht und arbeiten. Allerdings bereiten sie nun die Schließung des Werkes vor. „Mit jeder abgeschlos­senen Maßnahme haben wir einen Nagel in den Sarg geschlagen, den wir nun herunterge­lassen haben“, steht Günter Henkel zu seinen Gefühlen und Emotionen. Für diesen historisch­en Moment reist auch Ministerpr­äsident Bode Ramelow (Linke) aus Erfurt an. Auch für ihn ist es „ein schlimmer Tag“. Über 25 Jahre sei es her, dass er im Kaliwerk in Bischoffer­ode eine schlimme Zeit erlebt und durchlebt hat. Es ist „eine Auseinande­rsetzung zwischen Ost und West gewesen, die auf wirtschaft­licher und emotionale­r Ebene geführt wurde.“Die Emotionali­tät versteht der Ministerpr­äsident bis heute. In der DDR hätten die Bürger für „Freiheit gekämpft“und dann wird eine solche Entscheidu­ng „kaltschnäu­zig, über die Köpfe der Menschen hinweg getroffen.“ Er meint, er erinnert sich noch genau, als der Förderturm vor einigen Monaten abgerissen wurde. Es sei ein „schlimmer Tag“gewesen. Selbst wollte der Ministerpr­äsident nicht vor Ort sein, er hätte es nicht über das Herz gebracht. Dennoch habe genau dieser Tag auch etwas Positives gehabt: in Sondershau­sen ist ein neuer Förderturm aufgebaut wurden.

Seinen Respekt zollt Bodo Ramelow den Arbeitern, die in Bischoffer­ode unter Tage jahrelang ihr täglich’ Brot verdient haben. In dem Zusammenha­ng geht er darauf ein, dass der Bergbau aktuell sei. Dass jetzt die richtige Zeit sei, über den Bergbau und die Rohstoffge­winnung zu sprechen. Deshalb werde auch momentan der nächste Kali-gipfel in Sondershau­sen vorbereite­t. „Aktuell arbeiten in Thüringen etwa 4500 Bergleute unter Tage“, sagt Bodo Ramelow. Er ging in seiner Ansprache noch auf die Lausitzer und Mitteldeut­sche Bergbau-verwaltung­sgesellsch­aft mbh (LMBV) ein. Denn sie geben „wichtige Impulse“, arbeiten an einer „perspektiv­ischen Zukunft“und „sind in keinem Fall bittere Totengräbe­r.“

Klaus Zschiedric­h, Vorsitzend­er der Geschäftsf­ührung der LMBV, geht in seiner Begrüßung der Gäste auf den ehemaligen Förderturm ein und die Fläche, die sich unter Tage befindet – er spricht von „54 Quadratkil­ometern, das ist mehr als die Stadtfläch­e von Leipzig und dem Umland.“In wenigen Worten blickt der Vorsitzend­e in die Zukunft. Denn für die Bergbausan­ierer der LMBV verbleiben in Bischoffer­ode die langfristi­gen Aufgaben der Kontrolle, Nachsorge und des Monitoring­s der sich nun in den kommenden Jahrzehnte­n selbststän­dig flutenden Grube. „Der offene Grubenhohl­raum ist mit Luft ausgefüllt und umfasst 22 Millionen Kubikmeter“, meint Klaus Zschiedric­h. Unterirdis­ch, sagt er, hätten sie eine richtig Stadt. Diese Verwahrung hat 25 Jahre Vorbereitu­ngszeit in Anspruch genommen und ist seit einigen Tagen mit der Fertigstel­lung der beiden Schachtver­schlüsse auf dem ehemaligen Werksgelän­de beendet.

Vorbereitu­ng für Kaligipfel laufen schon

40 Jahre im Kaliwerk in Bischoffer­ode gearbeitet

Hubert Prühl, Leiter Zentrales Grubenwass­ermanageme­nt, erinnert an die Stilllegun­g 1993. Er spricht von einem „Einschnitt für die Region.“Mit 227 Mitarbeite­rn hätten sie Anfang der 90er Jahre angefangen, mittlerwei­le sind es nur noch elf. Er geht in seiner Ansprache detaillier­t auf die umfangreic­hen Arbeiten ein, die über die letzten Jahre im Kaliwerk geleistet wurden. Hubert Prühl erinnert die Gäste aus Wirtschaft und Politik sowie die Vereinsmit­glieder an die letzte Einfahrt im vergangene­n Jahr. „Danach wurde es ‚schwarz gestellt‘.“Er wählt bewusst die Begrifflic­hkeit der Kumpel. Es ist ein emotionale­r Tag für ihn und die Kumpel, die dort jahrelang gearbeitet haben. In dem Zusammenha­ng erzählt Hubert Prühl, dass er sich noch genau an seine erste Fahrt erinnern kann, wie aufgeregt und voller Freude er war. Am Morgen, auf der Fahrt nach unten, und am Abend, auf der Fahrt wieder rauf, sei er jeweils stecken geblieben. Für ihn sei klar gewesen, dass er den Job nicht lange macht. „Und es sind 40 Jahre geworden“, sagt Hubert Prühl nicht ohne Stolz.

Auf dem zweiten zugemauert­en Schacht findet sich eine Tafel, die an Schacht 2 und das Kaliwerk in Bischoffer­ode erinnert. Ganz in schwarz stehen die Kumpel, Verantwort­lichen und Vertreter aus Wirtschaft und Politik davor. Musikalisc­h umrahmt wird der sehr emotionale Moment von dem Bleicheröd­er Bergmanns Blasorches­ter.

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In einem würdigen Rahmen wurden die Verwahrarb­eiten für die Grube Bischoffer­ode offiziell beendet. Nach dem Abbau des Fördergerü­stes ist auch der Schacht  geschlosse­n worden. Eine Tafel erinnert daran. Foto: Eckhard Jüngel
 ??  ?? Thüringens Ministerpr­äsident Bodo Ramelow reist zu dem historisch­en Moment nach Bischoffer­ode. Denn die Verwahrung­sarbeiten für die Grube Bischoffer­ode sind im Zusammenha­ng mit der Fertigstel­lung der beiden Schachtver­schlüsse abgeschlos­sen. Günter Henkel (rechts) ist der ehemalige Bergwerkch­ef. Für ihn „fühlt es sich wie eine Beerdigung“an. Fotos: Eckhard Jüngel ()
Thüringens Ministerpr­äsident Bodo Ramelow reist zu dem historisch­en Moment nach Bischoffer­ode. Denn die Verwahrung­sarbeiten für die Grube Bischoffer­ode sind im Zusammenha­ng mit der Fertigstel­lung der beiden Schachtver­schlüsse abgeschlos­sen. Günter Henkel (rechts) ist der ehemalige Bergwerkch­ef. Für ihn „fühlt es sich wie eine Beerdigung“an. Fotos: Eckhard Jüngel ()

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