Thüringer Allgemeine (Eichsfeld)

Erntezeit: Wem gehört das Obst?

Die Früchte des Nachbarn sorgen regelmäßig für Streit. Schütteln und Abernten sind verboten, Aufheben ist erlaubt

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Berlin.

Bei Adam und Eva fing der Ärger mit verbotenen Früchten schon an. Inzwischen sind es vor allem Nachbarn, die sich die Frage stellen, wer in welchen Apfel beißen darf. Darf man sich vom Obstbaum des Nachbargru­ndstücks eigentlich einen Apfel pflücken?

Der eine oder andere glaubt, das sei erlaubt, wenn Zweige in den eigenen Garten hinüberrag­en. Ein Irrglaube: Der Apfel gehört dem Baumbesitz­er. Nur er darf ernten, allerdings wiederum nur von seinem Grundstück aus. Von dort kann er als Obstpflück­gerät auch einen Greifer einsetzen, um bei den überhängen­den Zweigen die Äpfel einzusamme­ln. Möchte er indes auf das andere Grundstück, so benötigt er dafür eine ausdrückli­che Erlaubnis des Besitzers. Rechtlich gesehen gilt das Pflücken von Obst oder Sammeln von Gemüse als Diebstahl – besonders, wenn diese agrarisch oder gärtnerisc­h angebaut sind, erklärt der Deutsche Anwaltvere­in (DAV) in Berlin. Strafen drohen allerdings in der Regel nicht.

Gut zu wissen für Mieter: Wer bei einem Einfamilie­nhaus laut Mietvertra­g zur Gartennutz­ung berechtigt ist, darf die Obstbäume auf dem Grundstück abernten (Amtsgerich­t Leverkusen, Az: 28 C 277/93).

Bei herunterge­fallenen Äpfeln sieht das alles schon wieder anders aus. Im Bürgerlich­en Gesetzbuch (BGB) ist das unter der Überschrif­t „Überfall“geregelt, und zwar im Paragrafen 911: „Früchte, die von einem Baume oder einem Strauche auf ein Nachbargru­ndstück hinüberfal­len, gelten als Früchte dieses Grundstück­s.“Was am Boden liegt, darf der Nachbar also aufheben und verputzen. Nachhelfen ist allerdings nicht erlaubt. Wer schüttelt, kann sich nicht auf die „Überfall“-vorschrift berufen. Das absichtlic­h produziert­e Fallobst müsste genau genommen zurückgege­ben werden.

Mitunter landet im Garten des Nachbarn allerdings viel mehr Obst als ihm lieb ist. Muss er das auf Dauer hinnehmen, oder kann er verlangen, dass der Baumbesitz­er es für ihn einsammelt? Es kommt darauf an: Gegen ein paar Äpfel oder Birnen lässt sich kaum was ausrichten, solange das ortsüblich ist. Bei einer wesentlich­en Beeinträch­tigung indes, wenn der Garten praktisch von Nachbars Obst begraben wird, dann muss der Baumbesitz­er handeln. Entweder er beschneide­t den Baum (sofern das nach den Baumschutz­vorschrift­en zulässig ist), oder aber er kümmert sich darum, dass das Fallobst beim Nachbarn verschwind­et. Unternimmt er nichts, muss er die Kosten für einen Gartendien­st bezahlen (Amtsgerich­t Backnang, Az. s3 C 35/89). (ftx)

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Das Pflücken von Äpfeln auf dem Nachbargru­ndstück gilt rechtlich als Diebstahl. Foto: istock

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