Thüringer Allgemeine (Eichsfeld)
Für Vettel beginnt der Endspurt
Vor Formel-1-rennen in Singapur steht Ferrari unter Druck. Wie reagiert Räikkönen, der den Rennstall verlassen muss?
Singapur.
Alles, was jetzt passiert, muss bedingungslos sein. Bedingungslos erfolgreich. Das weiß insbesondere Sebastian Vettel. Der Ferrari-pilot gibt sich vor dem Formel-1-rennen in Singapur (Sonntag, 14.10 Uhr deutsche ZEIT/RTL) kämpferisch. Sebastian Vettel, der 30 Punkte hinter Titelverteidiger Lewis Hamilton zurückliegt, sagt bei der Pressekonferenz mit fester Stimme: „Mein größter Feind bin ich selbst.“
Sieben Rennen in zehn Wochen
Der Große Preis von Singapur ist das erste von sieben Rennen in nur zehn Wochen. Der Marina Bay Street Circuit ist der anstrengendste, schwierigste, unberechenbarste Kurs von allen. Im vergangenen Jahr, als der Rückstand nur drei Zähler in der Gesamtwertung betrug, fand sich Sebastian Vettel nach der zweiten Kurve gegen die Fahrtrichtung stehend im Aus wieder, nachdem er zuvor mit Kimi Räikkönen kollidiert war. Das erinnerte an die Szene von vor zwei Wochen in Monza, als ihm das gleiche Missgeschick gegen Lewis Hamilton passiert war.
Der Triumph des Briten in Italien hat Ferrari und Vettel mitten ins Herz getroffen. Zum wiederholten Mal hat der Silberpfeil-pilot voll gepunktet, wenn die Roten Punkte liegen gelassen haben. Das kann das Titelrennen entscheiden.
Wenn in Singapur die gleiche Situation wie in Monza wieder auftreten würde, dann ist sich Vettel sicher, „dass es so nicht nochmal passieren würde“. Und das, obwohl sein Teamkollege Kimi Räikkönen jetzt weiß, dass er zum Saisonende im Tausch mit Charles Leclerc zum Schweizer Sauber-team abgeschoben wird.
Bei Ferrari stellt sich wieder die Frage nach der Teamräson. Mercedes setzt klar auf Stallorder, ausgerechnet Ferrari aber schreckte bisher davor zurück. „Für mich ändert sich grundsätzlich nichts, es ist alles situationsbedingt“, sagt Vettel, obwohl ehemalige Weltmeister wie Damon Hill und Mika Häkkinen Ferrari vorwerfen, offenbar noch immer nicht kapiert zu haben, gegen wen man da um den Titel fahre. Vettels Auftreten wirkt so, als habe er komplett verdrängt, wie ernst die Lage ist, und dass er zum vierten Mal in Folge scheitern könnte.
Es geht momentan nicht nur um Vettels Position in der Weltmeisterschaft, sondern auch um sein Standing im Team. Er hat kein Geheimnis daraus gemacht, dass er Räikkönen gern weiterhin als Stallgefährten gehabt hätte. Man habe auch mit ihm gesprochen, „aber ich habe kein Entscheidungsrecht“.
Dass es mit einem ehrgeizigen 20-Jährigen wie Charles Leclerc an der Seite schwieriger werde, glaubt er nicht unbedingt. Sicher, die Dynamik werde eine andere sein. Aber jeder habe seine Art. Dass er dem Monegassen keine Glückwunsch-sms gesendet habe, liege schlicht daran, dass er dessen Mobilnummer nicht hatte: „Er ist ein guter Junge. Ich sag‘ ihm dann ein paar Worte, wenn ich ihn sehe.“
Eine Warnung hat er indirekt schon ausgesprochen: „Das Wichtigste in der Beziehung zwischen Kimi und mir ist der Respekt.“Der am Sonntag in Kurve eins wieder auf dem Prüfstand steht. Ob sich der Finne erneut unterlassene Hilfeleistung vorwerfen lassen muss?
Die Straßen von Singapur sind nicht unbedingt das Lieblingsterrain von Mercedes. Vettel hat hier viermal in zehn Jahren gewonnen, Hamilton aber immerhin auch dreimal. Das ist sein Erfolgsrezept in dieser Saison: zu siegen, wo er eigentlich keine Chance hat. Ferrari nimmt die Rückschläge bisher standhaft, aber den Glauben an das eigene Auto und den eigenen Fahrer könnte eine Erfolgs-auffrischung gebrauchen.
Vettel versucht sich angesichts des Drucks in Optimismus und endet in Plattitüden: „Wenn meine Leistung stimmt, können mir die anderen nichts anhaben.“