Thüringer Allgemeine (Eichsfeld)

Landkäufer dürfen Geld für Windräder behalten

Privatisie­rungs-gesellscha­ft BVVG verdient im Osten kräftig mit – bis jetzt. Landbesitz­er hat die „Knebelvert­räge“gekippt

- Von Anja Semmelroch

Karlsruhe.

Landkäufer in Ostdeutsch­land sind für Windkrafta­nlagen auf ihren Flächen nach einem Bgh-urteil jahrelang zu Unrecht zur Kasse gebeten worden. Eine entspreche­nde Regelung in ihren Kaufverträ­gen ist unwirksam, wie der Bundesgeri­chtshof (BGH) in Karlsruhe am Freitag entschied. Landbesitz­er können möglicherw­eise Geld zurückford­ern, solange die Ansprüche noch nicht verjährt sind.

Wie viele Käufer betroffen sind und um welche Summen es geht, ist noch unklar. Die zuständige Bodenverwe­rtungs- und -verwaltung­s Gmbh (BVVG) rechnet aber mit „erhebliche­n finanziell­en Auswirkung­en“.

Die BVVG verkauft und verpachtet seit der Wiedervere­inigung im staatliche­n Auftrag die ehemals volkseigen­en Äcker, Wiesen und Wälder. In den ersten 15 Jahren sollen die Flächen nur für die Landwirtsc­haft genutzt werden. Gibt es daran in dieser Zeit Änderungen, hat die BVVG in bestimmten Fällen das Recht, das Land zurückzuka­ufen oder vom Kaufvertra­g zurückzutr­eten. Der Kläger, ein Mann aus Mecklenbur­g-vorpommern, will auf seinen 71 Hektar Land drei Windräder aufstellen lassen. Daran hätte die BVVG kräftig mitverdien­t. Denn sein Kaufvertra­g sieht vor, dass er der Gesellscha­ft 75 Prozent des Geldes abtreten muss, das er vom Betreiber der Windräder über die gesamte Laufzeit der Anlage hinweg bekommt. Dem Kläger zufolge waren das ursprüngli­ch rund 800 000 Euro pro Windrad. Er spricht von „Knebelvert­rägen“– und zog vor Gericht.

Der BGH gibt ihm nun in letzter Instanz Recht. Die BVVG hatte argumentie­rt, dass sie die Flächen auch gleich zurückkauf­en könnte. Das Abschöpfen der Einnahmen sei das „mildere Mittel“.

Das sehen die obersten Zivilricht­er anders. Demnach kann die BVVG Flächen übernehmen, die zu Bauland geworden oder nun für Verkehrswe­ge vorgesehen sind – Windräder sind aber kein Grund dafür. Das Land werde dafür nicht aufgewerte­t. Weil der Gesetzgebe­r Windräder fördere, sei ihr Aufstellen grundsätzl­ich überall möglich.

„Der BVVG steht kein Wiederkauf­srecht zu“, sagte die Vorsitzend­e Richterin Christina Stresemann – und damit auch keine Beteiligun­g an den Einnahmen aus der Windkrafta­nlage. (Az. V ZR 12/17). Dem Urteil zufolge kann die BVVG höchstens vom Kaufvertra­g zurücktret­en, wenn ein wesentlich­er Teil der Flächen zur Energieerz­eugung genutzt werden soll, also zum Beispiel ein ganzer Windpark entsteht. In dem Fall aus Mecklenbur­g-vorpommern sind aber nicht einmal zwei Prozent des Landes betroffen.

Die BVVG will die schriftlic­he Urteilsbeg­ründung abwarten und dann das weitere Verfahren festlegen. „Nach erster Einschätzu­ng ist aufgrund des Urteils mit erhebliche­n finanziell­en Auswirkung­en für die BVVG zu rechnen“, sagte eine Sprecherin auf Anfrage. Eine Bezifferun­g sei noch nicht möglich. Wie viele Kaufverträ­ge die unwirksame Regelung enthalten und welche Einnahmen die BVVG bis heute aus den Windkrafta­nlagen erzielt hat, wurde nicht mitgeteilt. ( dpa)

75 Prozent der Einnahmen für BVVG

Das Aktenzeich­en zum Urteil: (Az. V ZR /)

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Landkäufer in Ostdeutsch­land sind für Windkrafta­nlagen auf ihren Flächen jahrelang zu Unrecht zur Kasse gebeten worden. Eine entspreche­nde Regelung in ihren Kaufverträ­gen ist unwirksam, entscheid der Bundesgeri­chtshof. Foto: P. Pleul, dpa

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