Thüringer Allgemeine (Eichsfeld)
Als Lehman die Welt erschütterte
Am 15. September 2008 meldete die Us-investmentbank Insolvenz an. Die Krise wirkt noch heute nach
Frankfurt/berlin.
Die Bilder gehen um die Welt: Hochbezahlte Banker in Maßanzügen tragen Umzugskartons mit ihren Sachen aus der Zentrale der Usbank Lehman. Es ist der 15. September 2008. Die Bank hat Insolvenz angemeldet, weil der Staat sie nicht retten will. Die Pleite bringt die Weltwirtschaft an den Rand des Zusammenbruchs.
Was ist geschehen?
Seit August 2007 ächzten die USA unter einer Immobilienkrise. Befeuert von niedrigen Zinsen und steigenden Hauspreisen kauften auch Amerikaner Häuser, die sich das eigentlich nicht leisten konnten. Die Banken bündelten die Kreditrisiken in Wertpapieren und verkauften sie sich gegenseitig. Als immer mehr Kredite ausfielen, bekamen die Banken Probleme. Auch Lehman war betroffen. Am 10. September 2008 kündigte Lehman-chef Richard Fuld einen Milliardenverlust allein für das dritte Quartal an. Drohte die Zahlungsunfähigkeit? Das Vertrauen war dahin, niemand wollte mehr mit der Bank Geschäfte machen. Ein Notverkauf scheiterte. So blieb am 15. September nur die Pleite.
Was waren die direkten Folgen?
Die Finanzmärkte brachen ein. Weil sie nicht mehr auf ihre Rettung durch den Staat vertrauen konnten, waren die Banken nicht mehr bereit, einander kurzfristig Geld zu leihen, wie dies zu normalen Zeiten üblich ist. Deshalb pumpten die Notenbanken weltweit viel Geld in die Märkte. Weil das Vertrauen insgesamt erschüttert war und deshalb trotz Geldschwemme nur zögerlich Kredite vergeben wurden, folgte ein schwerer Wirtschaftseinbruch weltweit. Millionen Menschen verloren ihre Arbeit.
Was verbindet die Lehman-pleite mit der Eurokrise?
In der Hochphase der Finanzkrise kam 2009 die Euro-krise hinzu. Ausgelöst durch Griechenland, das bekannte, die Schulden- und Wachstumszahlen frisiert zu haben. Zudem kamen verschuldete Staaten angesichts der Finanzkrise nur schwer an Geld. Die Europäische Union richtete deshalb einen Rettungsfonds ein, die Europäische Zentralbank (EZB) senkte die Zinsen und pumpt bis heute frisches Geld in den Markt. Eine Folge: niedrige Sparzinsen. Wegen der Geldschwemme legten viele Investoren Geld in Immobilien an, die Preise stiegen drastisch. Zudem steckten Anleger Geld in Aktien, weshalb die Kurse kräftig gestiegen sind.
Was passierte damals in Deutschland?
Um zu vermeiden, dass jeder Deutsche sein Geld von der Bank holt, was die Zahlungsfähigkeit der Banken weiter geschwächt hätte, garantierten Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und der damalige Finanzminister Peer Steinbrück (SPD), die Bankeinlagen seien sicher. In Deutschland wurden außerdem 1,5 Millionen Jobs durch Kurzarbeit gerettet. Mit der Abwrackprämie für das Verschrotten alter Autos versuchte die Bundesregierung zudem, den wichtigen deutschen Industriezweig zu stützen.
Wie erging es Deutschlands Banken?
In der Folge der Finanzkrise musste unter anderem die Commerzbank mit staatlichem Geld gestützt werden. Der Bund ist immer noch mit 18 Prozent an der Bank beteiligt. Die Hypo Real Estate wurde verstaatlicht und abgewickelt. Zahlreiche Landesbanken gerieten in Schieflage und mussten mit Steuergeld gerettet werden. Die Westlb wurde abgewickelt.
Wie waren Anleger betroffen?
Die Börsenkurse weltweit brachen ein, die Verluste allein in den ersten Monaten wurden auf weltweit vier Billionen Dollar geschätzt. Rund 50 000 Anleger hatten auch Zertifikate der niederländischen Lehman-tochter gekauft. Diese Wertpapiere unterlagen aber nicht der Einlagensicherung, das Geld war verloren. Verbraucherschützer schätzen den Verlust auf eine Milliarde Euro. Zumindest einige Anleger erhielten nach jahrelangen Prozessen Geld aus der Insolvenzmasse.
Was kostete die Krise bisher?
Kurz nach der Krise haben die sechs größten Eu-staaten und die USA umgerechnet rund 800 Milliarden Euro eingesetzt, um die Krise abzufedern. Für Deutschland hat der Grünenbundestagsabgeordnete Gerhard Schick den Aufwand bisher mit rund 68 Milliarden Euro berechnet, dazu kommen weitere Risiken von rund 13 Milliarden Euro.
Sind die Banken jetzt sicherer?
Teilweise. Die Us-regierung hatte in der Krise die Banken mit Steuergeld rekapitalisiert, sie stehen heute wieder blendend da, wie Christoph Schalast von der Frankfurt School of Finance and Management sagt. In Europa aber sollte der Steuerzahler im Fall einer systemrelevanten Krise nicht mehr Geisel der Banken sein. Die Banken sollten aus sich heraus sicherer werden. Europa schuf eine einheitliche Bankenaufsicht und verschärfte die Regulierung. Besonders in Deutschland schrumpften die Banken deshalb. Auch in den USA wurden den Banken strengere Regeln auferlegt.
Was machen Lehman-banker heute?
Viele damals Verantwortliche sind in lukrative Jobs gewechselt. Ex-lehman-chef Fuld ist jetzt Chef des Finanzberatungsunternehmens Matrix Private Capital. Viele andere sind ebenfalls noch in der Branche tätig. An diesem Sonnabend sollen sie sich dem Vernehmen nach in London treffen, um „das Netzwerk zu pflegen“, wie einer von ihnen sagt.