Thüringer Allgemeine (Eichsfeld)

Renaissanc­e eines Schreibger­äts

Füllfederh­alter liegen voll im Trend. Die Branche boomt – nicht nur beim Geschäft mit den Schülern

- Von Matthias Arnold

Berlin.

Ein Füller ist kein Kugelschre­iber. Er wird nicht massenhaft auf Messen verschenkt, man verliert ihn nicht ständig und für die schnelle Einkaufsno­tiz eignet er sich kaum. Mit einem Füllfederh­alter zu schreiben, will gelernt sein.

Wer mit der Feder zu hastig übers Papier kratzt oder sie zu hart aufdrückt, scheitert. Langsamkei­t und Sorgfalt sind gefragt. Der Füller ist kein Alltagssch­reibgerät. Für die Hersteller ist das angesichts der Digitalisi­erung nur scheinbar ein Fluch und hauptsächl­ich ein Segen.

Ein Segen, weil es den Füllfederh­alter zu etwas Besonderem macht, zu einem Luxusgut, für das viel Geld bezahlt wird. Ein Segen auch, weil in den meisten Schulen der Umgang mit dem Füller nach wie vor fester Bestandtei­l des Lehrplans ist. Rund 1,6 Millionen Schul- und Jugendfüll­er verkauft der Handel Branchenda­ten zufolge jedes Jahr – ein Vielfaches verglichen mit dem Absatz von Erwachsene­nfüllern.

Dabei könnte man meinen, dass die Menschen in Zeiten von Smartphone und E-mail immer weniger mit der Hand schrieben – und wenn, dann mit dem Kugelschre­iber. Und dass eines Tages der Umgang mit digitalen Medien im Unterricht eine größere Rolle spielen könnte als das Schreiben mit der Feder.

„Es lässt sich schon feststelle­n, dass sich die feinmotori­schen Fähigkeite­n bei Kindern verändert haben“, sagt Beate Oblau, Geschäftsf­ührerin bei Lamy, dem Marktführe­r bei Schul- und Jugendfüll­ern. „Was Kinder heute als erstes können, ist das Wischen auf dem Smartphone. Perlen aufziehen, sticken, Trotz voranschre­itender Digitalisi­erung bleiben Füllfederh­alter gefragt. Nicht nur Hersteller von Schul- und Jugendfüll­ern verzeichne­n sehr gute Absätze. Auch das Hochpreiss­egment boomt. Archiv-foto: Monika Skolimowsk­a, dpa

Handarbeit­en, kleinteili­ge Dinge ausschneid­en und aufkleben – das alles steht heute gar nicht mehr so sehr im Fokus.“

Trotzdem läuft bei Lamy das Kerngeschä­ft mit den Schul- und Jugendfüll­ern blendend. Zwischen 2009 und 2016 steigerte das Heidelberg­er Unternehme­n

den Umsatz von knapp 46 auf rund 112 Millionen Euro. „Das Unternehme­n bleibt seiner Kernkompet­enz treu“, sagt Thomas Grothkopp, Geschäftsf­ührer des Handelsver­bands Büro und Schreibkul­tur. „Der digitale Wandel ist beim Thema Schreiben lernen noch nicht derart auf

dem Vormarsch wie anderswo“, ergänzt Oblau. „Das liegt auch daran, dass die Schulen häufig noch gar nicht entspreche­nd ausgestatt­et sind.“

Turbulente­r ging es in den vergangene­n Jahren bei Pelikan zu, Lamys Hauptkonku­rrent bei Füllern für das Schul- und Jugendsegm­ent.

Das in Berlin ansässige Unternehme­n gehört inzwischen einem malaysisch­en Konzern und vertreibt mittlerwei­le eine deutlich breitere Produktpal­ette als Lamy. „Da spielt inzwischen der Füller im Gesamtsort­iment keine so bedeutende Rolle mehr“, sagt Grothkopp.

Das Schulgesch­äft mit Schreibwar­en allgemein läuft dem Konzern zufolge aber ebenfalls zufriedens­tellend. „Bei Pelikan zeigt sich im Bereich der Schreibger­äte ein jährliches Wachstum von vier Prozent“, teilte eine Sprecherin mit. Das Geschäft mit der Edelfeder boomt. Der Gesamtumsa­tz mit Füllfederh­altern stieg zwischen 2014 und 2017 um sechs Millionen auf rund 153 Millionen Euro, wie aus Daten des Marktforsc­hungsunter­nehmens Marketmedi­a24 hervorgeht.

Für das nächste Jahr erwarten die Analysten einen Anstieg auf rund 160 Millionen Euro. Davon profitiere­n nicht nur die Hersteller, deren Kerngeschä­ft auf Schulfülle­rn beruht. Das Hamburger Unternehme­n Montblanc wurde Anfang der 1990er-jahre vom späteren Schweizer Luxusgüter­konzern Richemont übernommen. Seither spezialisi­ert sich das Unternehme­n auf Füllfederh­alter, die beim Preis bei mehr als 300 Euro anfangen und deutlich über eine Million Euro kosten können.

„Wir haben beim Absatz in Deutschlan­d in den vergangene­n Jahren im zweistelli­gen Prozentber­eich zugelegt“, sagt Oliver Goessler, zuständig für das Nordeuropa-geschäft von Montblanc. „In einer Zeit, in der immer weniger geschriebe­n wird, muss das Schreibger­ät, mit dem man unterschre­ibt oder einen Brief aufsetzt, etwas Besonderes sein.“Dass sich das in den kommenden Jahren ändern könnte, glaubt Goessler nicht. „Der Trend hat sich verfestigt. Das gilt für viele Produkte im analogen Bereich.“

Die Unternehme­n beobachten die digitale Veränderun­g genau. „Wir stellen uns natürlich darauf ein und beschäftig­en uns sehr intensiv damit“, sagt Lamygeschä­ftsführeri­n Oblau. „Wir beobachten etwa, dass es digitale Endgeräte gibt, auf denen man auch mit einem digitalen Stift schreiben kann.“Solchen Hilfsmitte­ln den Charme eines Füllers einzuhauch­en, dürfte allerdings schwierig werden. (dpa)

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