Thüringer Allgemeine (Eichsfeld)

Jenaer beteiligt sich am Bau mittelalte­rlicher Burg

Der Physiker Benjamin Fuchs erlebt spannende Tage in Frankreich. Seit 1997 wird ohne moderne Hilfsmitte­l an dem Projekt gearbeitet

- Von Charlotte Wolf

Ils bâtissent un château fort – Sie bauen eine Burg. Die Steine werden direkt vom Steinbruch geholt, das Pferdefuhr­werk rattert den ganzen Tag über die Baustelle und transporti­ert sie vom Steinbruch zum Steinmetz. Dazwischen erklingt das Hämmern des Schmiedes und das empörte Schnattern der Gänse. So war das vor 700 Jahren und so ist es auch heute wieder.

Ganz ohne moderne Technik, mit den Methoden des 13. Jahrhunder­ts wird seit 1997 wieder eine Burg im französisc­hen Burgund – in Treigny – gebaut. Guédelon – das Projekt experiment­eller Archäologi­e, zu Anfang von Wissenscha­ftlern oft belächelt, zieht immer mehr interessie­rte Menschen an. So gibt es Arbeiter wie Steinmetze, Zimmerer, Seiler, den Schmied und etliche mehr – Wissenscha­ftler, die die Bautechnik­en erforschen und die Bâtisseure – Baumeister, die für eine Woche der modernen Welt entsagen und dem mittelalte­rlichen Bauen etwas näher kommen.

Diesen Gedanken hatte auch der Jenaer Physiker Benjamin Fuchs. Im August machte er sich auf nach Guédelon, die mittelalte­rliche Baustelle zu erkunden. Als er vor 10 Jahren schon einmal von dem Projekt hörte, hielt er es für eine wenig interessan­te Sisyphusar­beit. Doch das änderte sich. Der Gedanke kam auf, dass es schön wäre, etwas mit den Händen zu machen, gewöhnlich sitzt er am Computer und untersucht als wissenscha­ftlicher Mitarbeite­r Kleinhirne im Biomagneti­schen Zentrum des Unikliniku­ms. Außerhalb der Arbeit ist er schon seit seiner Jugend Mittelalte­r- und Musikfan. Die Möglichkei­t, einmal mehr in diese Zeit abzutauche­n, war ein weiterer Reiz.

Um einen Platz als Batisseur zu bekommen, muss man sich rechtzeiti­g anmelden und Französisc­h sprechen. Die 15 Plätze pro Woche, die es zwischen März und November gibt, sind schnell weg.

Die Arbeit beginnt morgens um zehn. Der erste Einsatzort: Das Burgtor. Hier sind Arbeiter gerade dabei, die Mauer zu bauen. Mörtel und Steine werden mittels eines mittelalte­rlichen Krans nach oben transporti­ert. Bis dieser auf der Baustelle verwendet werden durfte, er also den heutigen Sicherheit­svorschrif­ten entsprach, bedurfte es vier Jahre intensiver Verhandlun­g.

Der Kran besteht aus zwei Laufrädern, ein bisschen erinnern sie an überdimens­ionale Hamsterräd­er, und einer Winde. In einem solchen Rad steht Benjamin nun und wartet auf das Kommando zum Loslaufen. Langsam erhebt sich die Transportk­iste in die Luft, kurz über der aktuellen Mauerhöhe ertönt ein Stopp. Der Kran, samt der Räder wird um etwa 100 Grad gedreht, sodass der Mörtel auf der richtigen Seite wieder abgesetzt werden kann. Jetzt kommt das eigentlich­e Mauern. Zwei Maurer setzen gerade einen Außenstein, der muss ganz akkurat platziert werden, bei der Füllung zwischen den Wänden hingegen werden die Steine und der Mörtel mehr oder weniger ungeordnet gesetzt. Dies ist eine Arbeit für die Ewigkeit, für die die Hände gebraucht werden.

Ein kurzer Schreck am nächsten Morgen, die Arbeitssch­uhe, die Benjamin trug, gehören jemand anderem und der will sie heute tragen. Woher andere bekommen? Ohne darf niemand auf die Baustelle. Zwar mögen die Baumethode­n mittelalte­rlich sein, die Sicherheit­svorschrif­ten sind es nicht. So gehören Arbeitssch­uhe mit Stahlkappe­n, bei Bedarf Schutzbril­len und Helme zur Pflicht.

Nach einiger Sucherei findet sich ein passendes Paar. Für Benjamin steht das Mörtelmisc­hen auf dem Plan. Das heißt Sand und gelöschten Kalk im richtigen Verhältnis zu vermengen. Der Mörtel kann am Nachmittag gleich wieder auf der Burgmauer eingesetzt werden.

Tag drei steht ganz im Zeichen des Dachziegel­herstellen­s. Wie alles, was für die Burg gebraucht wird, werden die Ziegel vor Ort hergestell­t. Das bedurfte zunächst einiger Versuche und Experiment­e. Wie für viele Methoden aus dem 13. Jahrhunder­t gibt es für die Ziegelbren­nerei keine genauen Anleitunge­n. Alles muss zunächst ausprobier­t und angepasst werden.

Die Wissenscha­ftler unterstütz­en, recherchie­ren und beschreibe­n, wie es funktionie­rt haben müsste, doch das muss sich in der Praxis erst beweisen. So dauerte es etwas, bis die Ziegel und Bodenflies­en den Brennofen intakt verlassen konnten. Inzwischen sind die Abläufe routiniert. Gebrannt wird nur zwei bis dreimal im Jahr, etwa 10 000 Stück. Die restliche Zeit wird geformt. Der Lehm wird gleich neben der Werkstatt aus dem Boden geholt, homogen geknetet und anschließe­nd in Holzrahmen gepresst. Benjamin darf seinen ersten Ziegel gleich noch einmal machen, denn der Meister ist nur dann zufrieden, wenn keine Risse und Luftlöcher zu sehen sind.

Ebenfalls nicht direkt an der Baustelle, aber wichtig ist der Seiler. Dort arbeitet Benjamin am nächsten Tag. Bis auf die Seile für den Kran und die zum Absichern des Gerüstes am Turm wurden alle auf dem Gelände verwendete­n Seile hier hergestell­t. Am Nachmittag wird der Färberin Charlotte geholfen. Die Stoffe, die mit Indigo gefärbt werden sollen, müssen gebeizt werden. Sie werden in einer Mischung aus Alaun und Weinstein gekocht, so dass die Fasern die Farbe später aufnehmen können. Es gibt eine Schmiede, sie versorgt alle Baubereich­e mit Werkzeug. Am Ende des Tages sind dort ein Gabeldorn und ein

Messer entstanden. Jeden Tag kommen tausende Interessie­rte zu dem Bauprojekt, bestaunen die Arbeit und wollen etwas lernen. Das heißt, die Mitarbeite­r widmen etwa 40 Prozent ihrer Arbeitszei­t dem Erklären ihrer Arbeit.

Am letzten Tag steht Bejamin in der Bäckerei. Max ist der Boulangeur – der Bäcker. Seit 2009 ist er bereits auf dem Gelände unterwegs. Seit 2015 wohnt er sogar dort und arbeitet nicht nur als Bäcker, sondern auch als Nachtwächt­er. Er hat ein schier unerschöpf­liches Wissen angesammel­t. Als Bäckermeis­ter ist er streng. Wehe, wenn der Teig nicht richtig geknetet wird. Sobald die Glut aus dem Ofen herausgeke­hrt ist, kommt das Brot hinein und 20 Minuten später kommt ein frisch gebackenes Sauerteigb­rot aus mittelalte­rlichem Getreide zum Vorschein.

Es war anders, als ich es erwartet hatte“, sagt Benjamin nach dieser Woche. Deutlich besucheror­ientierter. Dennoch habe die künstleris­che Dimension jedes Handwerks seinen Horizont erweitert, erklärt er. Durch die physische Arbeit bekomme man einen anderen Zugang zur Vergangenh­eit. Sie lässt sich erleben. „Es hat mein persönlich­es Geschichts­interesse im Vergleich zum Schulunter­richt drastisch erhöht.“Nicht umsonst besuchen regelmäßig auch Schulklass­en den Ort.

 ??  ?? Ganz ohne moderne Technik, mit den Methoden des . Jahrhunder­ts, wird seit  eine Burg im französisc­hen Burgund gebaut. „Guédelon“– an dem Projekt experiment­eller Archäologi­e ist der Jenaer Physiker Benjamin Fuchs beteiligt. Auf dem Foto zu sehen ist der Vorgänger eines Krans, der aus Laufrädern und einer Winde besteht. Fotos: Charlotte Wolff
Ganz ohne moderne Technik, mit den Methoden des . Jahrhunder­ts, wird seit  eine Burg im französisc­hen Burgund gebaut. „Guédelon“– an dem Projekt experiment­eller Archäologi­e ist der Jenaer Physiker Benjamin Fuchs beteiligt. Auf dem Foto zu sehen ist der Vorgänger eines Krans, der aus Laufrädern und einer Winde besteht. Fotos: Charlotte Wolff
 ??  ?? Der Jenaer Benjamin Fuchs beim Beizen von Stoffen.
Der Jenaer Benjamin Fuchs beim Beizen von Stoffen.

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