Thüringer Allgemeine (Eichsfeld)
Wie wird man Neonazi?
Lukas Rietzschel wirft im Roman „Mit der Faust in die Welt schlagen“einen Blick auf eine Jugend im Osten
Warum zieht es Menschen zu den Rechten? Glaubt man Autor Lukas Rietzschel kann das in Sachsen ganz leicht passieren. Irgendwie so ganz nebenbei. Seine Protagonisten Philipp und Tobias wachsen in der sächsischen Provinz auf – Neschwitz heißt der Ort in der Lausitz. Geschlossene Fabriken, Plattenbauten, Abwanderung, Verfall. Am Ende brennt die geplante Flüchtlingsunterkunft.
Der Roman „Mit der Faust in die Welt schlagen“von Rietzschel wirft einen Blick auf das Bundesland, das vielen derzeit Rätsel aufgibt. Pegida, Heidenau, Freital, Chemnitz. Der Fremdenhass scheint sich immer wieder dort besonders Bahn zu brechen. Und keiner vermag wirklich erklären – warum immer wieder Sachsen? Auch Lukas Rietzschel kann diese Antwort nicht geben. Aber der 1994 in Ostsachsen geborene Autor zeigt dem Leser einen Ort, der trister kaum sein kann – eine Region, die vielen in Deutschland fremd ist. Die einen verlassen das Örtchen Neschwitz in Rietzschels Geschichte und ziehen gen Westen, die Zurückgebliebenen trinken – und manch einer beginnt, zu hassen. Die Protagonisten Philipp und Tobi verbringen eine ganz normale Jugend – wachsen in den 2000ern auf. Sie haben Angst vor Krieg, als 2001 die Flugzeuge in die Twin Towers fliegen. Die Jungs verstehen, dass ihr Vater bei der Nachbarin nicht nur Rollos repariert. Sie haben Ärger in der Schule. Irgendwann stirbt der geliebte Opa.
Doch auch Sachsen prägt sie: Sie mögen die Sorben nicht – das schickt sich in Neschwitz. Sie sehen, was Crystal Meth aus einem guten Freund machen kann. Sie spielen in verlassenen Fabriken. Sie lernen früh das Wort Stasi. Und sie sind fasziniert, von Menzel und anderen älteren Typen, die mit dem Auto vor der Schule rumhängen. Und eines Tages ist da ein riesiges Hakenkreuz vor der Schule. Aber keiner vermag den Brüdern erklären, warum das verboten ist – nur dass es verboten ist. Die Neugierde wächst...
Warum zeigen einige Menschen den Hitlergruß – pöbeln, werden gewalttätig? Der Roman lässt den Leser ratlos zurück. Aber mit einem Gefühl für eine Region Deutschlands, in der das Vergangene das Heute prägt. Und in der die Menschen einer Heimat nachhängen, die früher viel besser zu sein schien. (dpa)
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Lukas Rietzschel: Mit der Faust in die Welt schlagen. Ullstein, Berlin, Seiten, Euro
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Burghart Klaußner: Vor dem Anfang, Kiepenheuer & Witsch Verlag, Köln, Seiten, Euro