Thüringer Allgemeine (Eichsfeld)

Von der Hauptstadt in die Provinz

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Weggehen kann manchmal viel einfacher sein als zurückzuke­hren. Als Michael Schürtz in dem Roman „Das Kaff“die Kleinstadt, in der er aufgewachs­en ist, verlässt, fängt er ein neues Kapitel an; arbeitet als Architekt in Berlin, richtet es sich zwischen Künstlerfr­eunden und Altbauwohn­ungen ein und denkt, nun sein wahres Leben gefunden zu haben. Schnitt. Die Joblage in der Hauptstadt ist mau, als Schürtz ein Angebot als Bauleiter in seinem Heimatort, den er nur verächtlic­h „das Kaff“nennt, bekommt.

Schürtz fühlt sich zunächst wie erst einmal auf der Durchreise, begegnet alten Freunden, alten Kollegen, seiner Familie – und letztlich auch irgendwie sich selbst.

Romanautor Jan Böttcher macht es dem Leser zunächst nicht einfach, seinen Protagonis­ten zu mögen. Zu sehr von sich eingenomme­n wirkt er, zu abfällig gegenüber anderen, nicht urbanen Lebensentw­ürfen. Doch nimmt er einen auch an die Hand – und zugleich auf eine Reise durch die Provinz, in der mit einem Vergrößeru­ngsglas auf Institutio­nen wie den örtlichen Fußballver­ein, den Gewölbekel­ler und die Baustelle geblickt wird.

Spätestens als Schürtz in Hamburg auf versnobte Zirkel trifft und sich halbgaren Unterhaltu­ngen über die Elbphilhar­monie stellen muss, wird ihm klar, dass ihm sein Kaff-ich vielleicht gar nicht so schlecht steht. (kage)

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