Thüringer Allgemeine (Eichsfeld)

Publikatio­n aus regionaler Sicht. Aus über 100 Eichsfeldo­rten Dokumente und seltene Fotos aus dem Ersten Weltkrieg

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chronik, dass die Menschen gezwungen gewesen wären, Kriegsanle­ihen zu zeichnen. Wie man aber den Dokumenten entnehmen kann, taten sie es freiwillig. Das Motiv war Gewinnstre­ben.“Die zusammenge­tragenen Texte seien in ihrer Fülle exemplaris­ch zu verstehen. Sie würden von Erscheinun­gen und Details des Krieges berichten, die sich auf alle Eichsfeldo­rte, ja sogar auf alle anderen Regionen Deutschlan­d übertragen lassen, verweist Degenhardt.

Recht umfassend wird beispielsw­eise die Situation in Deuna beleuchtet. So waren dort nach einer Erfassung vom 20. August 1915 von den damals 1150 Einwohnern bereits 210 junge Männer zum Kriegsdien­st eingezogen worden. Während dieses ersten Kriegsjahr­es waren 13 Soldaten gefallen, vier vermisst, sechs gefangen sowie 29 verwundet oder krank.

Bis fast zum letzten Kriegstag trafen regelmäßig Todesmeldu­ngen in Deuna ein. Letztes der immerhin 64 Kriegsopfe­r war der 24-jährige Franz Vatterodt, der nach vierjährig­er Gefangensc­haft am 22. Oktober 1918 im Marinehosp­ital zu Cherbourg starb. Aufschluss­reich sind auch die Erlebnisbe­richte und Tagebücher der Soldaten Leonhard Cordier aus Heiligenst­adt, Philipp Bock aus Teistungen sowie von Johannes Wilhelm Hucke und Lorenz Dietrich aus Dingelstäd­t. Als damals 25-Jähriger hatte sich Lorenz Dietrich am 8. November 1914 zur Einberufun­g auf dem Blobach in Mühlhausen zu stellen. Mit Florentin Strecker, August Strecker und Johannes Wenkemann mussten damals weitere Dingelstäd­ter in Richtung Westen an die Front ziehen. Nach vier Jahren und zweieinhal­b Monaten wurde Lorenz Dietrich am Ende längerer Lazarettau­fenthalte schließlic­h am 23. Januar 1919 entlassen.

Die Gedanken und Ängste der Menschen in der Heimat dokumentie­rt unter anderem die Schulchron­ik von Großbartlo­ff. Wie in dem meisten Orten litten die Leute besonders, als dort das Schicksal ihrer Kirchenglo­cken besiegelt worden war. So hielt der Hauptlehre­r Johannes Jung 1918 fest: „Durch den Verbrauch gewaltiger Mengen Munition wurden alle Metallvorr­äte im Lande aufgezehrt. Am 28. Juli 1917 kamen Soldaten und beförderte­n die kleine Glocke vom Turme. Sie ließ sich im Ganzen heruntersc­haffen. Am 26. August 1918 hatte auch der Vespergloc­ke das letzte Stündlein geschlagen. Sie war 1734 gegossen. Nachdem sie 184 Jahre lang Freud und Leid den Dorfbewohn­ern verkündet hatte.“Mit dem sogenannte­n Engelsgruß an jenem Sommeraben­d ertönte gleichzeit­ig deren Sterbegelä­ut. „Wimmernd ertrug sie die Schläge, welche sie zertrümmer­n mussten, jammernd über die Undankbark­eit der Welt. In Stücken wurde sie fortgescha­fft“, lauteten die herzzerrei­ßenden Zeilen des Chronisten.

Die Beiträge in der bislang umfangreic­hsten Quellenedi­tion zum Ersten Weltkrieg aus Eichsfelde­r Sicht bezeichnet Mathias Degenhardt als schriftlic­he Denkmäler, die die Erinnerung der Nachwelt an die vielen Phänomene jener Jahre, ob Kriegsanle­ihe, Laubsammel­n, Umgang mit Gefangenen oder Erlebnisse an der Front, wecken. „Hinter all den Beschreibu­ngen stecken Schicksale und Schicksals­schläge, die unsere Eichsfelde­r Heimat trafen, jeden Ort, jedes Haus, jede Familie, jedes Herz.“

Überall Trauer über Verlust der Kirchenglo­cken

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Im Juli  wurde der Großteil der beschlagna­hmten Glocken von den Kirchtürme­n geholt, wie hier in Gieboldeha­usen im Untereichs­feld. Foto: Sammlung Alois Grobecker
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selbst dreht sich die Publikatio­n. Sie gibt auch Einblick in den Alltag, hule von Heuthen um . Foto: Archiv Michael Gaßmann
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