Thüringer Allgemeine (Eichsfeld)
Gemeinsam auf Vinyl gepresst
Das Projekt „Greenwood Files“vereint Lieder von 16 Thüringer Künstlern auf einer Schallplatte. Diese entstand in eigener Produktion
Erfurt.
„Die Szene hat ein Problem mit dem Selbstbewusstsein“, sagt Erik Eichholz. Seit Jahren ist der Erfurter als DJ Danger Dee in ganz Thüringen unterwegs. Er hat über die Zeit viele talentierte Musiker und Beat-bastler getroffen, die mit ihren instrumentalen Kompositionen die Grundlage für den Gesang im Hiphop und Rap bilden. Doch selten werde die Leistung dieser Musiker wahrgenommen, meint Eichholz. Mit der Schallplatte „Greenwood Files“, die Titel von insgesamt 16 Thüringer Künstlern vereint und Anfang Dezember veröffentlicht wird, soll sich das ändern.
„Ich wollte mal die Musiker ins Rampenlicht holen, die sonst nicht auf der Bühne stehen, die stundenlang vor ihren Maschinen sitzen und mit technischem Knowhow an den Beats frickeln“, sagt Eichholz rückblickend zu seiner Idee. Drei Jahre sind seitdem vergangenen. Drei Jahre, in denen Andre Weichert-pachtmann und Danny Böhm diese Idee aufgriffen und engagierte Künstler aus Erfurt, Saalfeld, Nordhausen, Jena und Gotha um sich versammelten, um gemeinsam zuerst eine Kassette und nun auch eine Platte zu produzieren.
„Wir wollten einfach ein Lebenszeichen senden“, sagt Nico Fenner, der wie Eichholz als Musiker in der Thüringer Hip-hop-szene verwurzelt ist und diese für ihre Lebendigkeit schätzt. „Leider schaffen es nur wenige Künstler, sich kommerziell zu vermarkten. Die meisten sind Wohnzimmer-produzenten“, meint der gebürtige Friedrichrodaer weiter, der selbst Beats bastelt. Auch er ist von Beginn an am Projekt „Greenwood Files“beteiligt.
Über eine Gruppe im sozialen Netzwerk Facebook suchten die Initiatoren um Weichert-pachtmann und Böhm schließlich vor zwei Jahren Künstler aus ganz Thüringen, die sich an dem Sampler beteiligen wollten. Die Voraussetzung: Jeder Musiker sollte zwei Instrumentalstücke einsenden, die dann von einer Jury ausgewählt wurden.
„13 Musiker landeten mit ihren zwei Titeln am Ende auf der Kassette“, erinnert sich Fenner, der zusammen mit Kevin Hallmann auf den Projektnamen „Greenwood Files“kam. „Wir wollten einen Bezug zum Thüringer Wald und dem Grünen Herzen schaffen. Daher der Name“, erklärt er. Die ausgewählten Titel erhielten 2017 von Danny Storandt beim Mixing und Mastering den letzten Schliff und wurden schließlich von Axel Koebernik auf 100 Kassetten überspielt. Von der Produktion bis hin zur künstlerischen Gestaltung entstand dabei alles in Eigenregie. „Wir wollten ein physisches Medium für die Musiker schaffen, die sich allein diese Form des Tonträgers nicht hätten leisten können“, sagt der gelernte Mediengestalter Fenner weiter. Die Kassetten hätten sich als klassisches Medium des Hip-hops angeboten – wegen der Nostalgie einerseits, andererseits auch weil sie in der Herstellung weniger kosteten als etwa eine Vinyl-lp.
„Das ganze Projekt geht auf das freiwillige Engagement der Künstler zurück, die ohne Geld ihre Freizeit investierten“, sagt Fenner weiter, der gemeinsam mit Hallmann die Gestaltung der Kassetten verantwortete. Die Künstler im Alter von 18 Jahren bis Mitte 40 Jahre seien dabei Freizeitmusiker, die im Alltag einem Beruf oder Studium nachgingen. Mit der Veröffentlichung auf einem physischen Medium habe sich für viele ein Traum erfüllt. Doch das gemeinsame Projekt war noch mehr als das. „Wir hatten sehr viel Spaß und haben in der Produktion eine emanzipative Botschaft gesehen“, sagt Fenner weiter. Die Künstler hätten sich vernetzt und gemeinsam etwas auf die Beine gestellt, ganz ohne professionellen Produzenten oder Label.
Der damit verbundene Stolz auf den in eigener Handarbeit entstandenen Sampler habe schließlich noch 2017 den Anstoß gegeben, einen weiteren Schritt zu gehen. „Wir wollten eine Platte aufnehmen und damit signalisieren, dass auch das geht“, meint Fenner. Noch im vergangenen Jahr riefen die Initiatoren deshalb erneut über die sozialen Medien zum Mitmachen bei den „Greenwood Files“auf. Doch dieses Mal gab es keine Jury, die die Künstler auswählte. Stattdessen schrieben sie selbst gezielt insgesamt 16 Musiker an, die sich jeweils mit 50 Euro am Gemeinschaftsprojekt beteiligten. „Das Geld war das Startkapital, um die Platten pressen zu lassen“, erklärt Fenner. Jeder der Künstler erhält im Gegenzug die gleiche Zahl an Platten zum Verkauf.
Zusammen mit Hallmann und der Tattoo-künstlerin „Krajamine“verantworteten Fenner und Hallmann erneut die Gestaltung und den Druck der insgesamt 170 Platten, die von Timo Warkus abgemischt wurden. Seit Ende Oktober liegen die „Greenwood Files“nun frisch auf Vinyl gepresst bei den engagierten Künstlern und warten darauf, am 8. Dezember mit Party und Konzert in der Erfurter Galerie und Bar „Retronom“veröffentlicht werden, die vom Verein Snokksen um die Brüder Markus und Lukas Krause betrieben wird. Hier gibt es die Platten dann auch zum Kauf. „Wir sind alle sehr stolz. Keiner hatte am Anfang daran geglaubt, dass wir das allein schaffen können. Aber es geht!“, meint Fenner, der zusammen mit den anderen Engagierten schon jetzt den dritten Teil der „Greenwood Files“plant. „Wir wollen das nächste Mal aber deutschlandweit Musiker ansprechen und unentdeckte Talente fördern“, sagt er. Und auch der Ideengeber Erik Eichholz freut sich über das Ergebnis: „Es werden immer viele Phrasen gedroschen. Wir haben zum ersten Mal unsere Kräfte gebündelt und etwas auf die Beine gestellt!“
Die Künstler nahmen jeden Schritt selbst in die Hand
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Releaseparty „Greenwood Files“, . Dezember, Retronom, ab Uhr, Johannesstraße A, Erfurt