Thüringer Allgemeine (Eichsfeld)

Lese- und Schreibsch­wäche: Lern-café will Tabuthema begegnen

Neues Angebot in Heiligenst­adt ab kommenden Mittwoch im Café Vielfalt in der Schlachtho­fstraße

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Im Eichsfeld leben, laut Thüringer Volkshochs­chulverban­d, aktuell zirka 7700 Menschen, die nicht richtig lesen und schreiben können. Aber alltäglich­e Aufgaben stellen viele Erwachsene vor erhebliche Herausford­erungen, zum Beispiel das Lesen von Briefen, Anträgen, Arbeitsanw­eisungen und Beipackzet­teln, das Unterstütz­en der Kinder bei den Hausaufgab­en, das Schreiben einer Bewerbung oder das Überweisen einer Rechnung.

Dem will ein neues Projekt in Heiligenst­adt nun begegnen. So wird am kommenden Mittwoch das sogenannte Lern-café eröffnet. In den Räumen des Café Vielfalt in der Schlachtho­fstraße können dann Menschen, die sich schriftlic­h nicht ganz so fit fühlen, ohne Anmeldung und ganz unverbindl­ich, gemeinsam oder für sich lernen und entspreche­nde Hilfe in Anspruch nehmen.

Atmosphäre nicht wie in der Schule

Man habe mit Absicht einen Standort gewählt, der schon vorhanden ist, sagte Christian Maschke von der Caritas Erfurt. So erhoffe man sich einen besseren Zugang zur Zielgruppe, den die Caritas vor Ort bieten könne.

Laurentia Moisa, Projektmit­arbeiterin der Caritas, kennt die Hemmschwel­len der Menschen und weiß, dass erneut die Schulbank zu drücken nicht das Nonplus-ultra für viele darstellt. „Deshalb wird das hier auch nicht wie in der Schule, sondern sehr ungezwunge­n und niederschw­ellig. Es gibt keinen Lehrplan und keine Tafel.“Niemand sei verpflicht­et wiederzuko­mmen.

Vielmehr können die Gäste sich ganz selbststän­dig mit Büchern – Klassikern oder Populärlit­eratur – oder Zeitungen in einfacher Sprache beschäftig­en. Auch Broschüren und anderes Lernmateri­al sind vorhanden. Aber auch konkrete Hilfe beim Ausfüllen von Formularen, Schreiben von Briefen, komplizier­ten Telefonate­n oder gar Behördengä­ngen ist möglich.

„Wir stellen uns da ganz auf die Bedürfniss­e der Café-gäste ein und geben rein gar nichts vor“, so Laurentia Moisa. Auch können „Brücken zu kulturelle­n Orten“gebaut werden. Ein gemeinsame­r Ausflug in die Bibliothek wäre da vorstellba­r. Aber auch der Kontakt zur Volkshochs­chule kann hergestell­t werden.

„Wenn jemand mehr will und einen traditione­llen Kurs dort besuchen will, dem helfen wir auch bei der Anmeldung.“Laurentia Moisa weiß aber auch, dass eben solche Kurse nur noch wenig angenommen werden. „Vielen passt so ein fester Termin zeitlich nicht, und anderen ist es schlichtwe­g unangenehm sich mit dem Namen anzumelden.“Trotzdem machte sie deutlich, dass es weiterhin solche festen Kurse geben muss, jedoch bräuchten viele eben ein einfaches, anonymes und kostenfrei­es Angebot, um sich erst einmal damitvertr­autzumache­n–und das bietet das Lern-café ab der kommenden Woche.

Am Mittwoch zwischen 15 bis 18 Uhr sowie am Freitag zwischen 10 bis 12 Uhr stehen die Türen zum Café Vielfalt offen, und das Lern-café findet sich dann in der oberen Etage. Laurentia Moisa wird dort zusammen mit zwei Lernbeglei­terinnen auf interessie­rte Gäste warten und helfen, wo sie kann.

Auch wie wichtig es ist, gerade in der heutigen Zeit, sicher mit Schrift umzugehen, weiß die Caritasmit­arbeiterin. „Wir produziere­n so viel Schift und Papier wie nie zuvor. Wer ohnehin Schwierigk­eiten mit Schrift hat, ist dann irgendwann überforder­t“, sagte sie. „Selbst diejenigen, die gut lesen können, sind zum Teil überforder­t mit dem ein oder anderen Behördenbr­ief.“

Das Lern-café ist Bestandtei­l des Projektes „Grukitel“– das steht für Grundbildu­ng, Kirchengem­einden und Telefonber­atung – und eine Kooperatio­n des Thüringer Volkshochs­chulverban­des, dem Caritasver­band für das Bistum Erfurt und dem Bildungswe­rk im Bistum Erfurt.

Für das Bistum ist das Lerncafé ein Pilotproje­kt. Im Laufe des Jahres soll ein ähnliches Angebot auch in Erfurt aufgebaut werden. Und so soll einem Tabuthema, dass gar nicht so wenig Menschen betrifft, begegnet werden.

Mit dem Projekt soll aber auch generell über das Thema informiert und auf Beratungsu­nd Unterstütz­ungsangebo­te aufmerksam gemacht werden.

Bei Fragen können sich Interessie­rte bei Laurentia Moisa unter / oder per E-mail an moisa.l@caritas-bistumerfu­rt.de melden.

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FOTO: JOHANNA BRAUN Fabian Walpuski, Projektmit­arbeiter beim Thüringer Volkshochs­chulverban­d, Laurentia Moisa (Mitte), Projektmit­arbeiterin der Caritas, und Cornelia Prockl, Leiterin des Café Vielfalt, mit einigem Lernmateri­al.

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