Thüringer Allgemeine (Eichsfeld)
Geschichtsunterricht einmal anders
10. Klassen der Tilman-riemenschneider-regelschule in Heiligenstadt befragen ehemalige politische Gefangene im Zeitzeugenprojekt
„Ich bin auf der einen Seite sprachlos und geschockt von den Erfahrungen und der Geschichte der Zeitzeugen, aber zugleich auch beeindruckt von der Offenheit und Ehrlichkeit, mit denen man uns Schülern Antworten auf unsere vielen Fragen gab.“– So äußerte sich unser Mitschüler Tim S. im Anschluss an das Zeitzeugenprojekt.
Am 10. Mai fand in unserer Regelschule Tilman Riemenschneider der Geschichtsunterricht einmal anders statt. Wir Schülerinnen und Schüler der beiden 10. Klassen erhielten durch ein Zeitzeugengespräch mit den ehemaligen politisch Inhaftierten Gerhard und Dorit Bause einen authentischen Zugang zum Thema DDR. Das Besondere dabei war, dass wir, die Nicht-erfahrungsgeneration, die Erfahrungsgeneration befragen konnten. Dieses Interview ist Bestandteil des Projekts „Erinnern – nicht vergessen“, welches von der Behörde des Thüringer Landesbeauftragten zur Aufarbeitung der SED Diktatur, Dr. Matthias Wanitschke, ausgearbeitet wurde. Er schätzt gerade die Arbeit mit Schülern als sehr wichtig für unser aller Zukunft ein, denn so entstehen immer wieder bewegende Gespräche zwischen beiden Generationen.
Das Zeitzeugengespräch wurde über die letzten Wochen anhand der primären Quellen von Dorit und Gerhard Bause, wie ihre Briefe aus der Haft, ihre Urteile oder auch Auszüge aus den Stasi-akten im Geschichtsunterricht durch unsere Lehrerinnen Frau Goedecke und Frau Bause, vorbereitet. Wir haben den Weg des Ehepaars beginnend mit dem Antrag auf Ausreise, über das Verfassen der Protesterklärung bis hin zur Inhaftierung beider in den 80er-jahren der DDR nachgezeichnet und versucht zu verinnerlichen. Am Freitag ergab sich schließlich für uns der Höhepunkt, die Zeitzeugen über ihre Erlebnisse und Erfahrungen zu befragen.
Wir Schüler sind in Freiheit und in Demokratie geboren, folglich fehlt uns jede eigene Erinnerung an den Ddr-staat, die Sed-diktatur und die Stasi-machenschaften. Lediglich durch den Geschichtsunterricht oder in Gesprächen innerhalb der Familie kann uns ein Teil der deutschen Geschichte nahegebracht werden. Erinnerungsorte und Diktaturerfahrungen im Unterricht zu behandeln, gehört zum Thüringer Lehrplan. Was wir aber von Dorit und Gerhard Bause im Zeitzeugengespräch erfahren haben, ging vielen von uns unter die Haut. Beispielsweise reflektierten unsere Mitschüler Lena Z., Alexa S. oder Julian S. in der Gesprächsauswertung, dass sie entsetzt und schockiert seien und es schlimm finden, dass Menschen, die für ihre Rechte einstanden, damals so behandelt wurden.
Unsere Erwartungen, etwas über die DDR-ZEIT zu erfahren, Neues zu lernen und einen Einblick in das Leben von politisch Andersdenkenden zu erhalten, wurden mehr als erfüllt. Wir sind sehr dankbar, dass wir solch ein Projekt am Ende unserer Schulzeit machen durften.
So ist die Aussage von unserem Mitschüler Moritz R. stellvertretend für beide 10. Klassen zu verstehen: „Das Gespräch mit den Zeitzeugen war ein beeindruckendes Ereignis, was ich nicht wieder vergessen werde und mich bestimmt im Leben begleiten wird.“