Thüringer Allgemeine (Eichsfeld)
Spulen, Perlonkittel und Erinnerungen
Ausstellung zur Leinefelder Baumwollspinnerei anlässlich des Stadtjubiläums lockt viele Neugierige. Besucher plaudern aus dem Nähkästchen
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Alte Spulenwagen, Tonnen, in denen die Baumwollstränge einst lagen, Brigadebücher, die von Ausflügen erzählen, Transportkarren, ein Robotron-computer und Ohrstöpsel – sie alle erzählen von der Geschichte der ehemaligen Leinefelder Baumwollspinnerei – und Geschichten. Die meisten Gäste, die am Mittwoch zum Seniorennachmittag in die Obereichsfeldhalle kommen, gehen nicht zielstrebig zu den gedeckten Tischen, sondern bleiben im Foyer stehen, halten inne, lassen den Blick schweifen. Fotos werden betrachtet – mal verschmitzt, mal melancholisch, und manche Hand streicht fast liebevoll über eine der Spulen.
Im Foyer der Stadthalle wird eine Sonderausstellung anlässlich des Jubiläums 50 Jahre Stadt Leinefelde gezeigt. Es geht um den Großbetrieb, der von allen nur Spinne genannt wird. Wie kaum ein anderes Unternehmen war sie mit der Stadt und ihrer Entwicklung verbunden. Auch viele der Senioren, die zu dem bunten Nachmittag kommen, haben dort gearbeitet.
„Ich war 1962 der erste Lehrling, und das in einer Klasse mit rund 25 Mädchen“, sagt Walter Prenissl und schmunzelt. In der ersten Stunde habe er sich nicht getraut, sich umzuschauen, verrät er. „Alles Frauen. Ich hatte Angst.“Und der Leinefelder erinnert sich auch an die Zeit davor. Zwei Tage vor dem eigentlichen Lehrbeginn flüchtete er bei Teistungen in den Westen, begann eine Maurerausbildung. Doch nach einem halben Jahr war das Heimweh so groß, dass er wieder zurückkam, die Lehre in der Spinne nun doch begann und neben den jungen Damen auf der Schulbank landete. stehen oder schaut sich noch einmal die Ölgemälde „Deutsche Spinnerin und Mongolin vor den Maschinen“oder „Frauen beim Aufbau des sozialistischen Vietnam“von Ilse Englberger an. Durchgeblättert werden Mappen mit den Arbeiten von Studenten um Professor Katzig, die sich mit der Gestaltung der Sozialräume befassten. Rund 800 Fotos von der Spinne laufen als Filmschleife über die Wand und noch einmal so viele von Leinefelde. Dazu kommen einige Filme vom Leinefelder Jubiläum 1977.
In der Stadthalle läuft der Seniorennachmittag. Alle Tische sind besetzt. Es gibt Kaffee, Kuchen, kurze Reden und ein Programm, das Kinder und Frauenchor gestalten. Auch Dietmar Sonne genießt die Zeit in der Gemeinschaft. Der 78-jährige Leinefelder arbeitete von 1964 bis 2006 in der Spinne. „Ich habe alles gemacht, war Springer, habe anfangs die Maschinen mit aufgestellt und sie am Ende abgebaut.“In Erinnerung geblieben sind ihm „gute Zeiten“. Doch während für ihn die Arbeit körperlich nicht so schwer war, wie er sagt, sei sie es für die Frauen gewesen. „Im Sommer bei 40 Grad an den Maschinen stehen, war nicht leicht. Und für die Stadt am Ende war es das nach den Entlassungen auch nicht. Doch Bürgermeister Gerd Reinhardt hat viel geschafft. Ihm haben wir viel zu verdanken. Auch, dass Leinefelde nach der Expo in aller Munde war. Es ging aufwärts“, meint Dietmar Sonne.
„Das Leben mit Laura war schön, nur eben einfach anders als gedacht.“
Die Ausstellung ist am Freitag zum Festakt anlässlich des Stadtjubiläums noch einmal zu sehen, Samstag zum Tanzabend sowie zur Uraniaveranstaltung am kommenden Dienstag, Uhr.