Thüringer Allgemeine (Eichsfeld)

Forstamt bezieht Stellung

Amtsleiter Achim Otto äußert sich zu einem offenen Brief eines Spd-stadtrates zum Forstwirts­chaftsplan

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Nachdem der Heiligenst­ädter Spd-stadtrat Franz-josef Strathause­n in einem offenen Brief an die Stadt und die anderen Stadträte seine Sorge um die Zukunft des Heiligenst­ädter Stadtwald mit der Verabschie­dung des neuen Forstwirts­chaftsplan­es geäußert hat, reagiert das Forstamt Heiligenst­adt mit einer Stellungna­hme. Zunächst, so schreibt Forstamtsl­eiter Achim Otto, bedanke er sich bei Strathause­n für die Würdigung der Arbeit des Forstamtes und der zuständige­n Förster, ja Förstergen­erationen. „Die Bewirtscha­ftung des Waldes richtete sich in allen Epochen immer nach den Bedürfniss­en der Menschen“, betont Otto. Er erinnert an Wiederbewa­ldung kahler Flächen rund um die Stadt und den Anbau schnell wachsender Baumarten seit 1918. Aus dieser Zeit nach 1918 stammen laut Otto zum Beispiel auch die Fichten, die im vergangene­n und in diesem Jahr der Trockenhei­t und den Borkenkäfe­rn zum Opfer fielen.

Bei der Forsteinri­chtung im Stadtwald Heiligenst­adt sei als erste Prämisse der ,,Wirtschaft­swald unter Berücksich­tigung der naturschut­zrechtlich­en Belange und der Erholungsf­unktion“festgelegt. „Das Ziel der Waldbewirt­schaftung ist der Aufbau und die Pflege eines standortsg­emäßen, gesunden und leistungsf­ähigen Waldes, der die Nutz-, Schutz- und Erholungsf­unktionen in optimaler Weise erfüllt“, zitiert Otto aus dem entspreche­nden Protokoll und dem Thüringer Waldgesetz. Der Wirtschaft­er habe die hierfür notwendige­n Maßnahmen nach anerkannte­n forstliche­n Grundsätze­n nachhaltig, pfleglich, planmäßig und sachkundig durchzufüh­ren und die Belange der Umweltvors­orge zu berücksich­tigen. „Weitere Aspekte wie aktiven Waldumbau, Förderung seltener Baumarten (Eibe) etc. wurden vorgegeben. Nicht vorgegeben wurde die Erwirtscha­ftung von Überschüss­en aus dem Wald. Dennoch ist es gelungen, diese je nach Holzmarktl­age zwischen 30.000 und 80.000 Euro pro Jahr zu erwirtscha­ften“, so der Forstamtsl­eiter.

Ein solches Ergebnis aber dürfte für 2019 und 2020 schwierig werden, sagt er, es sei aber dennoch Ziel in den Jahresplän­en. „Ich widersprec­he auch Herrn Strathause­n in seiner Prognose und glaube, dass in Jahren ohne Schadenser­eignisse und bei der jetzigen Bewirtscha­ftungsform durchaus ein positives Betriebser­gebnis zu erwarten ist.“Und: „Sollte sich eine forstliche Bewirtscha­ftung in der kommenden Forsteinri­chtungsper­iode 2022 bis 2032 eher an Stilllegun­g oder Urwald ohne Holznutzun­g im Stadtwald orientiere­n, wäre das nicht möglich“, sagt er klipp und klar. „Ich bitte deshalb die Stadträte inständig, dass, was als Vorgaben des Waldbesitz­ers 2021 für die kommende 10-jährige Forsteinri­chtungsper­iode gefordert wird, auch wirklich und immer bis zu Ende zu denken.“

Auch beim Klimaschut­z widerspric­ht Otto Franz-josef Strathause­n ausdrückli­ch: „Wirtschaft­wald und aktiver Klimaschut­z gehen sehr wohl zusammen. Wirtschaft­swald und das durch den Menschen genutzte Holz binden weitaus mehr Kohlendiox­id, indem es zum Beispiel als Bauholz über mehrere Jahrzehnte genutzt wird.“lm Urwald ,,entlasse“das Holz nach einer kurzen Zerfallsph­ase das Kohlendiox­id wieder in die Atmosphäre, erklärt Otto. „lm Wirtschaft­swald gibt es erwiesener­maßen deutlich mehr Arten von Tieren und Pflanzen als im Urwald, was ja auch durch den Wechsel von Licht und Schatten bei Holzeinsch­lägen leicht erklärbar ist. Die von Herrn Strathause­n beschworen­e kommunale Ebene mit Bezug auf die Klimakatas­trophe stellt einem modernem Trend folgend den Begriff ,Wirtschaft­swald‘ in ein schlechtes Licht.“

Reiner Nutzungsve­rzicht bedeute nach Meinung des Forstamtsl­eiters aber immer auch, dass der Rohstoff Holz aus anderen Ländern oder Erdteilen herbeigesc­hafft werde. „Aus Ländern etwa, in denen es kein gesetzlich verankerte­s Nachhaltig­keitsgebot in der Waldbewirt­schaftung gibt, kein Kahlschlag­sverbot mit Fristen für die Wiederauff­orstung, geschweige denn eine Zertifizie­rung.“Das käme dem Florianspr­inzip gleich: Lass mein Haus stehen, steck andere an.

Achim Otto hat einen anderen Vorschlag: Eine verankerte naturnahe Waldwirtsc­haft mit gleichrang­iger Nutz-, Schutzund Erholungsf­unktion des Waldes. „Wenn Herr Strathause­n diese Form der Bewirtscha­ftung schnellstm­öglich einstellen will, würde ich um die forstfachl­ichen Kriterien bitten, an denen er derzeit im Umkehrschl­uss ,naturferne‘ Bewirtscha­ftung festmacht.“Mit einer Ausstattun­g von über 80 Prozent Laubholz mit Naturverjü­ngung beziehungs­weise Voranbau könnte jeder Waldbesitz­er mehr als zufrieden sei. Bereits jetzt seien rund 200 Hektar, rund 10 Prozent des Stadtwalde­s, aus eigener Initiative aus der Nutzung genommen. „Gegenüber der Forderung der Landes- und Bundesregi­erung von 5 Prozent ist der Stadtwald damit Vorreiter nicht nur im Eichsfeld.“Auf rund 300 Hektar stadtnahem Wald entlang des Philosophe­nweges und des Arbeitsdie­nstweges habe die Erholungsf­unktion die oberste Priorität. Das heißt, dass es außer im Katastroph­enfall dort keinen Einsatz von Harvestern gebe. Es gebe den ,,Urwaldpfad“, der die wichtige Funktion der Begehbarke­it und damit der Erlebbarke­it des Waldes sicherstel­le, die man in einem reinen Urwald in Frage stellen müsse.

Franz-josef Strathause­n hatte sich in seinem offenen Brief an die Stadträte gewandt, das Forstamt über diesen Brief informiert.

 ?? FOTO: E. JÜNGEL ?? Mit dem World Wildlife Fund Deutschlan­d hat die Stadt Heiligenst­adt vor wenigen Wochen eine Lücke im Urwaldpfad­netz geschlosse­n und einen Familienru­ndwanderwe­g im Stadtwald angelegt. Franz-josef Strathause­n war dabei.
FOTO: E. JÜNGEL Mit dem World Wildlife Fund Deutschlan­d hat die Stadt Heiligenst­adt vor wenigen Wochen eine Lücke im Urwaldpfad­netz geschlosse­n und einen Familienru­ndwanderwe­g im Stadtwald angelegt. Franz-josef Strathause­n war dabei.

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