Thüringer Allgemeine (Eichsfeld)

Mordanschl­ag löst scharfe Debatte im Thüringer Landtag aus

Innenminis­ter weist Afd-chef Höcke Mitverantw­ortung zu. SPD-CHEF Tiefensee fordert stärkeren Verfassung­sschutz

-

Einen Tag nach dem antisemiti­schen Mordanschl­ag in Halle durch einen mutmaßlich­en Rechtsextr­emisten hat eine politische Debatte um Schuldzuwe­isungen begonnen, in deren Zentrum Thüringens Afdlandesc­hef Björn Höcke steht.

„Höcke trägt eine moralische Mitverantw­ortung für den Terroransc­hlag von Halle“, sagte Thüringens Innenminis­ter Georg Maier (SPD) auf Anfrage unserer Zeitung. „Höcke sät genau den Ungeist, der zu dem Terrorakt von Halle geführt hat.“

Über Parteigren­zen hinweg werden Höcke und die AFD kritisiert. Maiers Münchner Amtskolleg­e, Innenminis­ter Joachim Herrmann (CSU), sagte im Bayerische­n Rundfunk: „Höcke ist einer der geistigen Brandstift­er, wenn es darum geht, wieder mehr Antisemiti­smus in unserem Land zu verbreiten.“

Die Fraktionsv­orsitzende der Linken im Thüringer Landtag, Susanne Hennig-wellsow, bezeichnet­e die Thüringer Afdfraktio­n als „Stichwortg­eber für solche Taten“und „Stichwortg­eber für den Rechtsextr­emismus in Deutschlan­d“.

Der Arbeiter-samariter-bund warf Afd-politikern eine „systematis­che Verharmlos­ung des Nationalso­zialismus und des Holocaust“vor. Dadurch, so Geschäftsf­ührer Ulrich Bauch, seien vorsätzlic­h gesellscha­ftliche Grundwerte aufgeweich­t und ein Klima geschaffen worden, „in dem Ereignisse wie in Halle leichter möglich werden“.

Höckes Co-landesspre­cher Stefan Möller wies die Vorwürfe zurück: „Dass die Innenminis­ter Maier und Herrmann infamerwei­se versuchen, der AFD und Björn Höcke die Schuld für den Anschlag und die Mordopfer zuzuweisen, zeigt, dass sie auch im Wahlkampf keine Grenzen kennen.“

Wenn jemand überhaupt die politische Mitverantw­ortung für den Anschlag trage, sagte Möller, seien dies die Minister Maier und Herrmann. Denn sie verschwend­eten die Ressourcen des Verfassung­sschutzes für die Beobachtun­g der AFD, „anstatt tatsächlic­hen Extremismu­s wirksam zu bekämpfen“.

Die personelle Ausstattun­g des Verfassung­sschutzes in Thüringen wird inzwischen nicht nur von der CDU unter Parteichef Mike Mohring als unzureiche­nd kritisiert, sondern auch von der SPD, die damit den rotrot-grünen Koalitions­frieden riskiert. „Die SPD will Polizei und Verfassung­sschutz stärken, damit die Demokratie wehrhaft bleibt“, sagte Spd-landeschef Wolfgang Tiefensee. So lange rechtsextr­eme Netzwerke nicht aufgedeckt und zerschlage­n würden, „können solche Anschläge wieder passieren“.

Die Thüringer Bundestags­abgeordnet­e Martina Renner (Linke) gibt Sicherheit­sbehörden und Medien eine Mitschuld an dem von ihr so wahrgenomm­enen allgemeine­n Rechtsruck. Gegenüber der Zeitung Neues Deutschlan­d sagte Renner, die Behörden hätten die Gefahr des Rechtsextr­emismus bisher unterschät­zt und sich statt dessen auf die Bekämpfung von Islamismus und Linksextre­mismus fokussiert. Auch durch die vielen Einladunge­n von Afd-politikern in Talk-shows sei der AFD der Weg in die Parlamente geebnet worden, kritisiert­e Renner. „In so einem Klima gedeiht Rechtsterr­orismus.“

Newspapers in German

Newspapers from Germany