Thüringer Allgemeine (Eichsfeld)

Ärzte bleiben länger im Dienst

Fast jeder achte Thüringer Hausarzt ist älter als 65 Jahre. Landesweit praktizier­en rund 20 Niedergela­ssene mit über 80

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In einer Thüringer Klinik wird ein knapp 80-Jähriger zum Chefarzt berufen. Anderswo behandelt eine niedergela­ssene Medizineri­n noch mit über 80 Jahren Patienten. Was nach Ausnahmen klingt, ist in Thüringer Arztpraxen keine Seltenheit. Laut Kassenärzt­licher Vereinigun­g (KV) ist jeder zehnte Arzt oder Psychother­apeut über 65 Jahre alt. Bei der Gruppe der Hausärzte sind es mit 13 Prozent sogar noch mehr. Über 70 Jahre sind 170 Haus- und Fachärzte, mit über 80 praktizier­en derzeit in Thüringen noch 20 Niedergela­ssene (Stand Juli).

Bei der Ärztevertr­etung verweist man darauf, dass es in der ambulanten ärztlichen und psychother­apeutische­n Tätigkeit aufgrund der Freiberufl­ichkeit kein offizielle­s Rentenalte­r gibt. Das gelte auch für angestellt­e Ärzte. „Deshalb ziehen wir auch keine Grenze bei 67 Jahren. Zur Motivation, auch in höherem Alter weiter zu praktizier­en, hören wir von vielen Kollegen, dass sie das nicht tun, weil sie müssen, sondern weil sie es wollen“, sagt Kv-sprecher Veit Malolepsy. Viele der in Thüringen noch tätigen älteren Vertragsär­zte praktizier­ten in Familienpr­axen, die inzwischen von den „Kindern“geführt würden oder arbeiteten angestellt. Ein Großteil nutze zudem Teilzeitmo­delle. Das Durchschni­ttsalter der Ärzte stieg hierzuland­e auf über 54 Jahre, bei der Gruppe der ärztlichen Psychother­apeuten sind es fast 59 Jahre.

Bundesweit liegt Thüringen damit im Trend. Wie die Ärztezeitu­ng unter Berufung auf Daten der Kassenärzt­lichen Bundesvere­inigung (KBV) berichtet, hat sich allein unter Hausärzten der Anteil der über 65-jährigen seit 2007 bundesweit verdreifac­ht von rund 5 Prozent auf 15 Prozent.

Betroffen vom steigenden Altersdurc­hschnitt sind auch Chirurgen. Auf seiner Homepage veröffentl­ichte deren Bundesverb­and BDC die Ergebnisse einer Umfrage unter mehr als 1400 Niedergela­ssenen, Klinikärzt­en und Mvz-mitarbeite­rn verschiede­ner Altersgrup­pen – Motto: „Silver Worker 2018: Generation ,Active Retiremen‘ (Aktiver Ruhestand)“. Laut BDC war es die erste Umfrage mit deutschen Ärzten über drei Generation­en zum Thema.

„Es ist ein drastische­r Anstieg von Silver Workern zu beobachten, die arbeiten, obwohl sie nicht arbeiten müssten“, berichten die Umfragever­antwortlic­hen. Bei Akademiker­n liege die Motivation häufig nicht in der Altersarmu­t, die Mehrheit arbeite gerne. So gaben die Befragten an, dass sie weitermach­en, um ihren Selbstwert zu erhalten (77 Prozent) und um Wertschätz­ung zu haben (74 Prozent). Weitere Gründe liegen in der Angst, nichts zu tun zu haben (59 Prozent) und im Gefühl, gebraucht zu werden (73 Prozent).

Die Kehrseite der Medaille seien Konflikte mit jüngeren Kollegen. Mehr als ein Drittel der Befragten bis 54 Jahre gab an, dass sie sich durch ältere Ärzte in ihren Aufstiegsc­hancen behindert sehen.

Nach einer Prognose der Techniker Krankenkas­se werden bis 2032 in ganz Thüringen über 260 Allgemeinm­ediziner fehlen, bei bestimmten Facharztgr­uppen sehe es nicht viel besser aus. Die derzeitige Altersstru­ktur trage maßgeblich zur Problemati­k bei.

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FOTO: FRANK HORMANN Viele Ärzte machen über das Ruhestands­alter hinaus weiter, um ihren Selbstwert zu erhalten.

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